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Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Zwischenzeit herrschte Gleichstand und Garchinger deutete Helga an, sie solle noch von der Gondel aus einen Schuss von der riesigen Menschenmenge entlang der Strecke drehen, obwohl er noch nicht wusste, wie und wann er das Material verwenden könnte. Doch diese Zuschauermassen bewiesen für ihn sehr anschaulich, dass da etwas Großes stattfand.
    Häusle lag unmittelbar vor dem Zielsprung zwei Zehntel vorne und der österreichische Kommentator freute sich über die technisch ausgezeichnete Fahrt, die nun mit sieben Hundertstel Vorsprung auf Funtow belohnt wurde. Doch erst bei Jonny Ulrichen würde man wissen, was die 02:12.22, die der Schwarzwälder für die Strecke benötigt hatte, wert waren. Als der Österreicher Anton Pöschl, der erste der Spitzenfahrer, mit Rückstand ins Ziel kam, konnte sich Garchinger beim Umsteigen an der Mittelstation auf einen Motorschlitten, der ihn zum Rosa Stadium, dem Zielraum, bringen würde, durchaus vorstellen, dass der junge Deutsche für einen fünften Rang gut sein könnte. Doch auch er als erfahrener Sportreporter wusste, dass die Olympia-Abfahrt ihren eigenen Regeln gehorchte und Triumph und Tragödien in der nächsten Stunde gewiss waren – das würde die Zuschauer an die Bildschirme und Live-Streams binden.
    Während ein pedantischer Helfer seine Zielraum-Kamera-Akkreditierung genau prüfte, traf gerade der Rennläufer Ivica Gegoric ein, der seine Stöcke vor Enttäuschung in den Schnee schlug. Er musste 1,87 Sekunden Rückstand auf Häusle hinnehmen. Ein ARD-Techniker drückte Garchinger noch schnell einen neuen Kopfhörer in die Hand, damit er wieder Kontakt mit der Regie hatte. Endlich gab der Helfer ihm den Weg in den Auslaufraum frei. Nur das russische Fernsehen und SNI hatten neben der ARD die Erlaubnis ergattert, direkt bei den abbremsenden Rennläufern drehen zu dürfen. Er erinnerte seine Kamerafrau daran, sich aus Sicherheitsgründen nie mehr als zwei Schritte von den Banden entfernt aufzuhalten. Die ersten drei des Zwischenklassements mussten auf einem Podest stehen und später ihre Position räumen, wenn ein anderer besser gefahren war. Schon ein paar Läufer hatte Häusle auf dem ersten Platz der Siegertreppe überstanden. Die Regie wollte, dass Garchinger vorerst den wartenden Führenden drehen sollte, aus einer etwas spannenderen Perspektive, als sie die offiziellen Bilder anboten. Der strohblonde junge Mann wirkte auf Garchinger angespannt, verständlich, denn das Warten und Hoffen darauf, was die gefahrene Zeit wert war, wenn nun die Weltspitze an den Start ging, würde sogar den Abgebrütesten sicherlich nervös machen.
    Ein erster Test kam mit der Nummer elf. In den zwischen den russischen eher spärlich gestreuten englischen Sätzen des Platzsprechers wurde Jonny Ulrichen als Swiss-Champion über die Lautsprecher im Rosa Stadion und an der Strecke angekündigt. Die Zwischenzeit am Ende der hohlen Gasse wurde grün angezeigt: Der Altmeister hatte zwanzig Hundertstel Vorsprung. Die Regie mahnte Garchinger, er solle nach ersten Eindrücken fragen, wenn Ulrichen den Vorsprung bis ins Ziel bringe. Im Moment sah es danach aus. Der kräftige Mann aus Zermatt mit dem perfekt präparierten Material musste die weiten eisigen Kurven des oberen Streckenabschnitts ja gut fahren, aber als er nach der Bear’s Brow mit einer Hundertstelsekunde rot angezeigt wurde, ging ein erleichtertes Raunen durch die Menge im Zielraum: Wenn der Walliser nicht optimal fuhr, dann umso besser für ihren David, der gegen diesen Goliath aus dem Westen antrat, dachte sich das einheimische Publikum vermutlich. Die Regie wollte nun, dass Garchingers Kamerafrau den Präsidenten Putin im Visier hielt; das Gesicht des Führenden würde ja auch von SRF angeboten.
    Auch nach dem Lake Jump wurde Ulrichens Zwischenzeit rot angezeigt. Er war zwar weit, aber erstaunlich unkontrolliert gesprungen. Ob ein so alter Hase doch angespannte Nerven zeigte, fragte sich Garchinger. Eine Medaille für jemanden, der dem Schweizer Skisport über Jahre so sehr ein Gesicht verliehen hatte, wäre fair gewesen, fand sogar er als deutscher Journalist. Aber natürlich wäre es eine aufregendere Story, wenn einer aus dem jungen Quartett – Prinz Richard, Bend, Luchsiger und Häusle – ganz vorne landen würde.
    Der Walliser kämpfte, aber schlussendlich reichte es um vierzehn Hundertstel nicht, die Spitze zu übernehmen. Sein Bronzemedaillenplatz würde wohl nur kurz halten, vermutete Garchinger. Putin applaudierte

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