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Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Leistung aus Kitzbühel bestätigt und es würde ja im Laufe der kommenden vierzehn Tage noch vier weitere Rennen geben. Wer weiß, vielleicht klappte es dann mit einer Medaille. Da gratulierte der strenge Trainer Saubauer zurecht: „War ganz ordentlich, gute Grundlage für die Superkombination!“ Garchinger hatte das Statement zumindest in der Aufzeichnung seiner Kamera drin, das war ein guter Schnappschuss.
    Häusle bekam von einem deutschen Betreuer die Teamjacke, denn es war ja trotz des Sonnenscheins frostig kalt, und er stand ja schon eine Weile auf der Treppe. Das hatten wohl auch seine Leute nicht erwartet. Ein Läufer lag bereits im Accola Valley anderthalb Sekunden zurück und war somit chancenlos. Die Regie gab deshalb Garchinger die Anweisung, schnell ein paar Worte von Häusle einzufangen.
    „Absolut genial!“, meinte der in Garchingers Mikrophon. „Ich hätte nicht gedacht, hier einen tiefen einstelligen Rang herausfahren zu können.
    „Und nun der diesjährige Sieger der Hahnenkammabfahrt, des härtesten Rennens der Welt, abgesehen natürlich von diesem“, kündigte der Platzsprecher für das Publikum im Zielraum und an der Strecke endlich wieder etwas auf Englisch an: „Fabian Luchsiger aus der Schweiz!“
    „Klasse, wie er das macht!“, rief Häusle bei Luchsigers Sprung beim Russian Trampoline. Trotzdem hatte der Schweizer bei der nächsten Zwischenzeit drei Zehntel Rückstand – die „Millenniumsgeneration“ war eben einfach zu leicht, um in der Kompression und der anschließenden Schlüsselstelle Big Pan
optimal gleiten zu können. Immerhin war der Glarner ja kein Federgewicht, sondern ein hochgeschossener Kerl, fand Garchinger. Es blieb aber auch bei den nächsten Zwischenzeiten bei drei Zehnteln Rückstand für den Rennläufer mit den unter dem Helm hervorstehenden roten Haarspitzen. Das Publikum war erleichtert über das Zwischenergebnis. Nur Koslow blickte stirnrunzelnd auf die Fahrt, denn der Russe wusste ja bestimmt, dass ihm der untere Teil der Strecke nicht optimal geglückt war. Luchsiger schnitt die Tore sehr eng, rutschte aber trotzdem nicht auf den Eisplatten weg. Gelegentlich klapperten die Ski an ruppigen Stellen, aber er kämpfte und blieb tief. Der Rückstand schrumpfte auf eine Viertelsekunde. Es wurde still im einheimischen Publikum; dafür trugen die laut dröhnenden Schweizer Treicheln den Glarner weiter. Über den Lake Jump flog er spektakulär weit, aber ohne irgendwelche Ruderbewegungen, und landete exakt auf der blauen Linie an der linken Seite. Das mussten siebzig Meter gewesen sein, schätzte Garchinger. „Wow!“, begeisterte sich Häusle abermals. Die Kurven glänzten im schrägen Sonnenlicht, so spiegelglatt war die Piste teilweise geworden.
    Die fünfundzwanzig Hundertstel Rückstand blieben Luchsiger erhalten bis vor dem Zielsprung. Er drückte sich ungewöhnlich weit vor der Kante ab, deshalb machte er einen der kürzesten Sätze des heutigen Rennens, aber blieb wie Häusle vorhin auf der Ideallinie. Das Publikum atmete erleichtert auf, da es irrtümlich glaubte, ein kurzer Sprung bedeute, Luchsiger sei langsam unterwegs, aber dieser wurde prompt mit der bisher höchsten Geschwindigkeit bei der Ziel-Welle gemessen. Putin starrte finster auf die angezeigten 133 km/h und schon stand grün blinkend
-0,09 1. Rang, 02:12,01
auf dem Großmonitor. Alles im Zielraum war wie erstarrt, nur die Schweizer Treicheln dröhnten noch heftiger.
    „Schlaft nicht! Reaktionen! Schwule Freunde! Handschlag mit Putin! Alles live!“, wurden Garchinger und seine Kamerafrau von der Regie angefeuert. Helga spurtete schon los, er hinterher. Sie mussten um jeden Preis vor SNI bei Luchsiger sein. Auch Häusle rannte zu seinem Freund, noch bevor dieser in einer Schneewolke ganz zum Stehen gekommen war. Nach ein paar Sekunden Starre begann Putin nun doch mit einem sportlich korrekten Applaus, dem sich das vorwiegend einheimische Publikum zögerlich anschloss. Welch dramatischer Moment, freute sich Garchinger. Er hätte nicht geglaubt, dass es heutzutage noch möglich wäre, wie einst Marie-Theres Nadig als aus dem Nichts kommender Teenager einen so bedeutenden Titel abzuräumen. Garchinger wusste, das Luchsiger schon zweiundzwanzig Jahre alt war, aber er vierhielt sich manchmal wie ein Jugendlicher..
    Es war einmal mehr bewiesen worden, olympische Rennen gehorchten ihren eigenen Gesetzen, auch wenn nach Kitzbühel der Ausgang für Garchinger nicht mehr völlig überraschend war.

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