Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Der rothaarige Glarner hatte Koslow den Titel weggeschnappt und Funtow musste sich nun mit der Ledermedaille begnügen, wie im Sport der undankbare vierte Platz genannt wurde. Der russische Traum von zwei Medaillen war vom Glarner jäh zerstört worden. Jetzt würde sogar das spezielle Quartett der jungen Rennläufer doppelt auf der olympischen Siegertreppe vertreten sein. Hier wurde Sportgeschichte geschrieben und die jungen Männer waren sich wohl noch kaum bewusst, was für ein Mediensturm über sie hereinbrechen würde. Überraschend erfolgreich, gut aussehend, besonders Luchsiger war ja schon ein halber Rockstar, das schwule Geheimnis und Bends Dreiecks-Liebesbeziehung um eine italienische Schönheit, mit der jeder Mann einmal ausgehen möchte. Was brauchte man als Journalist mehr für eine fesselnde Story neben den olympischen Sportresultaten? Er war vollauf zufrieden mit dem heutigen Tag und außerdem traf er einen Tick vor der Konkurrenz bei dem noch völlig außer Atem keuchenden Sensationssieger ein und konnte nun dessen Reaktion einfangen, wenn der endlich auf die Anzeige blicken würde.
Fabian fühlte sich schwindlig. Er hatte alles gegeben, so viel Luft, wie er jetzt brauchte, konnten seine Lungen kaum einsaugen. Er musste sich fest vornehmen, vor Putin und all den Leuten nicht umzukippen oder wie in Kitzbühel einen Krampf zu bekommen. Er blickte in ein bekanntes Lausbubengesicht und Florian war auch da. Allmählich kam sein Puls wieder herunter. „Jungs, da hätte man besser mit Schlittschuhen runterfahren sollen“, keuchte Fabian. „Mich kannst wegschmeißen, gopf!“. Er zog sich den Helm aus, lehnte sich an die Bande und keuchte noch immer, als wäre er kurz vor dem Hyperventilieren.
„Anzeige von Klassement gucken!“, lachte Monti.
Fabian drehte sich um, schaute kurz, erstarrte und dann hallte ein überlauter echter Glarner Älpler-Jauchzer durch das Zielstadion – so laut, dass er von Fabians Dorf Braunwald aus am Kärpf ein Echo geschlagen hätte. Er drückte zuerst Florian, dann Justin, bekam dabei feuchte Augen und begann zu zittern. Das konnte doch nicht wahr sein, vielleicht nahmen sie ihn alle hier auf den Arm? Aber in Putins Anwesenheit machte doch niemand Scherze.
„He, Luchsi, easy! Geh mit Florian zum Podest“, versuchte ihn Justin zu beruhigen.
Monti gab Justin die Jacke des Glarners, da dieser von einem regelrechten Blitzlichtgewitter und drei Zielraum-Livekameras, darunter die von Garchinger, verfolgt zum Präsidenten glitt. Putin wartete bereits an der Absperrung zum Publikum auf den Überraschungssieger.
Klassement Abfahrt – Olympische Winterspiele Russland
1
Fabian Luchsiger
SUI
02:12.01
2
David Koslow
RUS
02:12.10
3
Florian Häusle
GER
02:12.22
4
Gregory Funtow
RUS
02:12.29
5
Johann Ulrichen
SUI
02:12.36
6
Jörg Pesenbauer
AUT
02:12.40
7
Richard Wales
GBR
02:12.72
8
Justin Bend
LIE
02:12.76
9
Anton Pöschl
AUT
02:12.97
10
Simon Pöschl
AUT
02:13.00
11
Dave Hall
USA
02:13.42
12
Hansi Vorderseher
GER
02:13.43
13
Gustav Hauser
ITA
02:13.51
14
Daniel Ruiz
ITA
02:13.57
15
Conradin Caratsch
SUI
02:13.70
16
Göran Romson
SWE
02:13.73
17
Patrik Moser
SUI
02:13.78
18
Sam Kent
USA
02:13.96
19
Ivica Gegoric
SLO
02:14.09
20
Charles DuPond
FRA
02:14.12
Was sollte er nur diesem mächtigen Mann sagen, fragte sich Fabian. Jemand stellte ihn auf Russisch vor. Putin war viel kleiner, als er es sich vorgestellt hatte, blickte streng zu ihm hoch beim kurzen Händedruck und gratulierte ihm auf Deutsch zu dieser bemerkenswerten sportlichen Höchstleistung.
„Ich danke Ihnen und Ihrem Volk, Herr Präsident, dass Sie dieses Jahrhundert-Sportfest möglich gemacht haben“, versuchte Fabian mit einem staatstragenden Satz zu antworten, da jede Menge Mikrophone und auf
record
geschaltete Smartphones hingehalten wurden, auch während er nun auch noch dem Ministerpräsidenten Medwedew sowie Altkanzler Schröder vorgestellt wurde. Dann schob er sich mit einem Schlittschuhschritt zur Siegertreppe weiter, Florian begleitete ihn auf gleicher Höhe. Er konnte die Tränen nicht mehr halten, so unglaublich war dies alles und so unvorbereitet hatte ihn das getroffen.
David Koslow versuchte, sich beim Handschlag ein Lächeln abzuringen, doch sein Traum von der Goldmedaille im eigenen Land war heute nicht wahr geworden. Fabian versuchte sich zusammenzureißen, um nicht als nah am Wasser gebaut in die Geschichte einzugehen.
„Gold verloren?“, fragte ein Reporter den Russen.
„Nein, Silber
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