Der Silberbaron
und der zerfetzten Kleidung an. Der dritte Mann war anscheinend bewusstlos und stank nach Alkohol. Bevor er noch etwas sagen konnte, wurde er heftig an den Rockaufschlägen gepackt.
“Hast du Miss Worthington sicher nach Hause gebracht?”
Paul nickte. “Hab sie wohlbehalten in Rosemary House abgeliefert, Richard.” Er grinste und nickte in sich hinein. “Wie in alten Zeiten, was? Kommt, Gentlemen, steigt ein. Wie viele waren’s denn? Fünf? Sechse? Bewaffnet?”
“Halt den Mund”, erwiderte Richard milde, schob Matthew Cavendish in die Kutsche und stieg ebenfalls ein. Ross kroch hinterher, und alle drei ließen sich erschöpft in die Polster sinken.
“Ich werde allmählich zu alt für so was, Richard”, sagte Ross schließlich und reckte die Schultern. “Weißt du, dass ich den ersten Schlag kaum kommen sah? Ich war eine Weile weggetreten, daher war Miss Worthington diesem Schweinehund schutzlos ausgeliefert.”
“Sei ruhig, verdammt”, stieß Richard zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stützte den Kopf in die Hand. Blicklos starrte er in die dunkle Nacht hinaus. Nach einer Weile sagte er: “Danke, Ross, ich verdanke dir so viel … ich weiß gar nicht, wie ich das je wiedergutmachen kann … ich will gar nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn du Emma nicht getroffen hättest … ich mag gar nicht darüber reden …” Als sein Freund keine Antwort gab, drehte er den Kopf. Ross saß in der Ecke, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schlief tief und fest. Richard lächelte ironisch und betrachtete die anderen Wageninsassen: Wainwright grinste und nickte immer noch fröhlich vor sich hin, und Matthew Cavendish schnarchte friedlich. Er wandte sich wieder der Nacht und seinen Überlegungen zu.
“Aber sie schläft schon, Mylord!”, rief Margaret Worthington aus. “Selbst wenn ich sie wecken wollte – und ich will nicht –, wäre es unmöglich. Ich habe ihr Laudanum verabreicht, um die Schmerzen zu stillen und ihr eine ruhige Nacht zu verschaffen.”
Richard blickte von Frederick Worthington zu dessen Frau und nickte dann langsam. “Ja … gut … sie braucht ihren Schlaf”, sagte er, während er innerlich schäumte:
Lasst mich zu ihr! Ich brauche sie!
Nachdem er Ross, Matthew und Wainwright in seinem Stadthaus in Mayfair abgesetzt hatte, war er sofort nach Kensington weitergefahren. Es beruhigte ihn zwar, dass Emma friedlich schlief, doch er wollte ihr nahe sein, wollte sich neben sie legen, sie in die Arme nehmen und sie vor jeder Gefahr beschützen.
Frederick Worthington trat nervös auf und ab und fuhr sich zittrig über das stoppelige Kinn. Er blinzelte Richard an, zum ersten Mal im Leben außer sich vor Sorge um seine Tochter.
Als Richard ihn am frühen Abend mit seiner Familie zusammengeführt hatte, war er überaus zufrieden gewesen. Seine Frau hatte ihn gescholten und umarmt, doch fünf Minuten später war es mit Ruhe und Frieden vorbei.
Emma war verschwunden. Sie hat Dashwood tatsächlich geschrieben, hatte Margaret auf Richards abrupte Frage erklärt, und auch eine Antwort bekommen. Dashwoods Brief lag offen auf Emmas Schreibtisch und enthüllte den Grund für deren unerwartete Abwesenheit. Sobald Richard Ort und Zeit erfahren hatte, war er aus dem Haus gestürmt.
Nun blickte Frederick auf Richards zerzauste Erscheinung, betete darum, dass die Tat bereits vollbracht war, ehe er heiser krächzte: “Dafür bringe ich Dashwood um! Er hat meine kleine Emma missbraucht!”
Richard fuhr zu ihm herum. “Was zum Teufel haben Sie geglaubt, dass er die nächsten zwanzig Jahre mit ihr macht? Sie sind doch nicht taub. Sie haben die Gerüchte gehört. Sie wollten eine schöne, mutige Frau an einen Wüstling verkaufen, an dessen Seite sie nichts als Elend erwartet hätte.” Er trat einen Schritt näher und starrte wütend auf den Mann hinunter.
Frederick senkte den Kopf und fragte: “Ist der Hund noch am Leben?”
“Gerade mal so … Dashwood stellt kein Problem mehr dar”, erklärte Richard kurz angebunden. “Zuvorkommenderweise hat er den Ehekontrakt vernichtet. Tun Sie es ihm nach.”
Margaret rang die Hände. “Aber Emma braucht einen Mann. Wenn sie verheiratet wäre, würde Dashwood es nicht mehr wagen, ihr zu nahe zu treten. Frederick, wir müssen einen Mann für unsere Tochter finden.”
“Das überlassen Sie am besten auch mir”, erklärte Richard vernichtend, verbeugte sich knapp und verließ das Haus.
“Ich glaube nicht, dass Lord Du
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