Der Silberbaron
“Immer, wenn ich ihr einen guten Rat gebe, schmollt sie oder rennt davon. Ich habe es wirklich satt, ihr helfen zu wollen …”
“Sehr vernünftig”, erklärte Richard. “Was rieten Sie ihr denn diesmal?”
Misstrauisch sah Margaret auf seine harte, spöttische Miene. “Nun, ich habe ihr nur das ans Herz gelegt, was Sie selbst empfahlen. Sie sagten doch, Sie würden uns helfen, einen respektablen Ehemann für sie zu finden, oder nicht?”
Richard warf ihr einen zornglühenden Blick zu, schloss die Augen und unterdrückte einen Fluch. Kopfschüttelnd machte er sich zur Tür auf, Margaret dicht auf den Fersen.
“Meine Zofe sagte mir, ein Mr. Trelawney war bei ihr, während ich spazieren war. Vielleicht ist sie mit ihm weggegangen. Vielleicht ist er die Person, auf die sie in ihrem Brief anspielt.”
“Nein, er nicht.” Richard drehte sich das Herz im Leib um. Emmas Kummer und Verwirrung sprachen aus jedem einzelnen Wort, und ihre Mutter kannte sie nicht einmal gut genug, um zu wissen, dass die Vertrauensperson, von der Emma sich einen Rat holen wollte, in Hertfordshire wohnte.
“Was werden Sie tun, Mylord? Werden Sie sie suchen? Was werden Sie sagen, wenn Sie sie finden?”
Richard lachte rau. “Keine Ahnung, Mrs. Worthington …”
Sie entschied sich dagegen, in der Schänke eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Der Postkutscher hatte gesagt, dass es nicht lang dauern würde, bis das Pferd neu beschlagen sei, und dann könnten sie sofort weiterreisen nach Hertfordshire. Bisher waren sie gut vorangekommen, so dass Emma hoffte, ihr Ziel gegen Abend zu erreichen. Um sich die Zeit zu vertreiben, schlenderte sie zu den Ställen, dachte dabei an den “Fallow Buck” und an Star … Gerade als sie in die letzte Box spähen wollte, wurde sie von einem flotten Zweispänner abgelenkt, der in einer Staubwolke in den Hof einbog … und dann wich sie mit klopfendem Herzen zurück.
Sie musste sich irren! Nur weil sie einen Blick auf hellblondes Haar und eine teure Equipage erhascht hatte, hieß das noch lange nicht … Vorsichtig spähte sie um die Ecke. Der Wagen stand verlassen vor der Schänke, der Fahrer war hineingegangen, wie Emma zu ihrer Erleichterung feststellte. Sie benahm sich wirklich lächerlich. In diesem Moment trat er in den Hof. Seine beeindruckende Gestalt, die elegante dunkle Kleidung, seine hellblonden Haare, die aufschimmerten, als er den Kopf drehte, um jemand hinter sich etwas zuzurufen – ihr verkrampfte sich das Herz vor bittersüßer Melancholie. Und plötzlich erkannte sie, dass sie umsonst die Reise angetreten hatte.
Sie brauchte keinen Rat. Während sie ihn sehnsüchtig beobachtete, ihrerseits ungesehen, wusste sie, dass es nur eine vernünftige Lösung gab, denn wenn er sie noch ein Mal berührte, würde sie ihn auf immer bei sich haben wollen. Sie würde sich nach dem zärtlichen Liebesakt sehnen, von dem er gesprochen hatte, würde sich bis zu ihrem Lebensende danach verzehren. Sie würde wollen, dass er morgens bei ihr war, um von seiner Familie zu sprechen, von ihrer Familie, von ihren Kindern … wie sie im Unterricht vorankamen, wie groß sie doch geworden waren … Sie würde wollen, dass er stolz zuhörte, wenn ihre Tochter sang oder Klavier spielte, dass er ihren Sohn tröstete, wenn er sich das Knie aufgeschlagen hatte … Sie würde alles wollen und nichts bekommen. Vielleicht könnte sie ihn noch nicht einmal besonders lang halten. Und wenn es so weit wäre, würde sie daran zerbrechen, würde betteln und weinen und doch nur mit ansehen müssen, wie er und seine Herzogstochter Erben in die Welt setzten.
Ross hatte ihr erzählt, dass Richard London verlassen hatte, und Dummkopf, der sie war, hatte sie nicht überlegt, wohin er gefahren sein könnte. Natürlich hatte er seinen besten Freund besucht, Viscount Courtenay. Vermutlich kehrte er nach einem Aufenthalt bei David und Victoria zurück nach London. Und in ihrer Hast war sie ihm geradewegs in die Arme gelaufen … Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann hysterisch zu lachen.
“Wenn du bei den Ställen herumlungerst, könnte man dich für einen Pferdedieb halten.”
“Wenn du bei einer alleinstehenden Frau herumlungerst, könnte man dich für einen Wüstling halten.” Sie senkte die Hände und sah zu ihm auf, wünschte, sie hätte gemerkt, wie er näher kam.
Er schenkte ihr ein überwältigendes Lächeln. “Na, wir beide wissen ja, dass wir uns gebessert haben, Emma – es braucht uns also nicht zu
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