Der Silberbaron
abweisende Miene zeigte ihm, wie ernst und dringlich die Lage war.
“Nimm meinen Wagen”, wies Richard ihn an und zeigte auf die elegante Kutsche. Sanft machte er sich aus Emmas Umklammerung frei, küsste ihr die Hände und reichte sie an seinen Freund weiter. Mit einem letzten Blick auf ihr verlorenes Gesicht eilte er auf die Gärten zu.
“Dich hab ich schon mal gesehen”, sagte Ross und schielte zu Richard hinauf. Er hatte einen weiteren Schlag auf den Schädel bekommen und hielt sich nur noch aus reiner Sturköpfigkeit auf den Beinen. Er ließ den Knüppel vor sich auf und ab sausen und wehrte so die Schläger ab.
“Stimmt, mein Lieber”, bestätigte Richard beruhigend, während er stetig näher kam.
“Du Quesne, wie nett, Sie zu sehen”, grüßte Dashwood ihn, tat aber vorsichtig ein paar Schritte zurück, als er die entschlossene Miene des anderen sah.
Die Schläger wurden ignoriert, als stellten sie gar keine richtige Gefahr dar; Richard konzentrierte sich nur auf den Mann vor ihm.
“Gerade eben noch sagte ich zu Miss Worthington”, erklärte Dashwood lässig, “ich müsse Ihnen wirklich dafür danken, dass Sie sie zu mir zurückgebracht haben. Unversehrt wäre sie mir natürlich lieber gewesen, aber ich will nicht kleinlich sein …” Die sarkastischen Worte kamen glatt heraus, doch seine zitternden Finger verrieten, wie nervös er war, und nun winkte er seine Leibwächter heran.
Die hatten einen Moment aufgehört, Schläge auf Ross herabhageln zu lassen, um den lässigen Neuankömmling anzustarren. Wenn der auch so tapfer kämpfte, waren sie in Schwierigkeiten. Selbst in seinem betäubten Zustand schwang Ross seine Fäuste und den Knüppel mit beängstigendem Geschick.
Einer der Männer sprang nun mit erhobenen Fäusten vorwärts. Lässig schlug Richard ihn ins Gesicht und rammte ihm, als er einzuknicken drohte, das Knie in die Weichteile. Danach schickte er ihn mit einem sauberen Kinnhaken zu Boden. Richard stieß ihn noch einmal verächtlich mit dem Stiefel an, bevor er dessen Kumpan einen auffordernden Blick zuwarf. Dieser sah nervös auf Dashwood und wartete auf Anweisung. Dashwood rang sich ein dünnes Lächeln ab und hob Einhalt gebietend die Hand.
Ross schob unterdessen einen der Angreifer weiter in die Hecke hinein, über die er ihn vorher drapiert hatte, und sagte grinsend zu Richard: “Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Die Teufelsbucht anno 1811? Eine Ladung Tee und Genever. Ha, du kommst von der Zollwache!”
“Nein”, erklärte Richard liebenswürdig, “dennoch bin ich hier, um jemand bezahlen zu lassen.”
“Seien Sie kein Narr, Du Quesne”, winselte Dashwood, der ihn genau verstand. “Ich habe jeden Grund, zornig auf die Schlampe zu sein. Sie verdient weitaus mehr Schläge, als sie bekommen hat. Sie und ihre hinterhältigen Eltern haben mir das Fell über die Ohren gezogen. Was kann es Ihnen schon bedeuten? Meine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, mein Geld, meine Verlobte …”
“Sie gehört mir”, widersprach Richard kühl. “Hat immer mir gehört.”
Dashwood betrachtete ihn berechnend. “Na, dann bedienen Sie sich doch. Ich heirate die Hure ohnehin nicht mehr, jetzt, wo Sie mit ihr fertig sind.” Er zuckte die Schultern und schmeichelte: “Kommen Sie, wir können sie doch beide haben. Wir sollten uns nicht mit nichtigen Eifersüchteleien aufhalten. Mir ist es gleichgültig, wenn Sie mit ihr ins Bett gehen. In gewisser Weise sind wir uns sehr ähnlich …”
“Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich, und wenn Sie das noch ein Mal behaupten, bringe ich Sie allein deswegen um.”
“Das magere Ding ist das doch gar nicht wert, Du Quesne! Lassen Sie uns aufhören. Nehmen Sie Trelawney und diese armselige Gestalt auf der Bank und gehen Sie weg.”
Richard wandte sich an Ross. “Bist du fertig?”
Ross senkte den Knüppel. “Wann immer du so weit bist.”
Ross tastete in der Innentasche von Matthew Cavendishs Rock und fand schließlich, wonach er suchte. Er zog eine Flasche heraus, kippte sich einen Schluck Whisky in den Mund und spülte. Dann rieb er sich etwas Whisky auf die Wunde hinter dem Ohr.
“Himmel, verschwende ihn doch nicht so”, brummte Richard und nahm ihm die Flasche weg. Er trank einen Schluck und gab Matthew Cavendish ebenfalls etwas. Dann winkte er seiner Kutsche. “Gott sei Dank, dass Wainwright gerade vorbeikam”, seufzte er.
Paul Wainwright sprang von der Kutsche und grinste die drei Männer mit den zerschrammten Gesichtern
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