Der silberne Buddha
Güte. Ich nehme an, daß niemand den Dieb gesehen hat.“
„Stimmt. Täter unbekannt! Sicher ein Souvenirsammler der gehobenen Klasse. Walker war weiß wie der Schnee des Kilimandscharo. Er wollte sofort Scotland Yard alarmieren. Ich hatte Mühe, ihm das auszureden. Daraufhin hat er Ben Silman beauftragt, bei Rolls-Royce in Crewe anzurufen, damit die sofort einen Mechaniker samt neuer Lady in Marsch setzen. Anschließend ist er mit dem Taxi zum Essen gefahren.“
„Ja, ja“, seufzte Clifton erheitert, „so hat eben jeder seine kleinen und großen Sorgen und Spleens. Der eine schämt sich, mit einer drei Jahre alten Hose herumzulaufen, und dem anderen ist es peinlich, einen Rolls-Royce zu benutzen, dessen Kühlerfigur gestohlen wurde.“
Hank Murphy, dem der tiefere Sinn in Cliftons Worten nicht entgangen war, ereiferte sich nun: „Warum fährt er keinen Cooper? Oder einen Ford? Warum muß es ausgerechnet ein Rolls-Royce sein?“
„Glaubst du nicht, daß das dem Präsidenten von Johnson & Johnson zusteht?“ Perry Clifton lächelte.
„Was heißt zusteht. Mir könnte das Geld aus den Ohren wachsen, und ich würde keinen fahren.“
„Und warum nicht? Schließlich handelt es sich um das beste Auto der Welt! Ich wäre da nicht so...“
„Schönes ,bestes Auto der Welt’, wenn für jedes ,beste Auto der Welt’ acht Kühe sterben müssen.“
Clifton schüttelte den Kopf. „Was haben die Kühe mit Rolls-Royce zu tun?“
„Leder!“ schnaubte Hank Murphy. „Ich habe es selbst gelesen. Aus über fünfhundert Kühen werden acht ausgesucht für die Ledersitze und den anderen Lederkrempel eines Autos! Und weißt du, welches Holz die für die Innenausstattung verwenden?“
„Keine Ahnung!“
„Walnußholz! Dazu fahren eigens Leute nach Italien, um dort den richtigen Baum auszusuchen! Ha!!“ Hanks Empörung war echt.
„Bist du eigentlich Vegetarier, Hank?“ wollte Clifton wissen.
„Vegetarier?“ wiederholte Murphy verblüfft. „Nein, bin ich nicht. Wie kommst du darauf? Was hat das mit Rolls-Royce zu tun?“
Perry Clifton grinste anzüglich. „Du regst dich darüber auf, daß pro Auto acht Kuhhäute verbraucht werden. Daß du jedoch im Lauf deines Lebens rund drei komplette Rindviecher und 16 Schweine ißt, das stört dich nicht im geringsten, he?!“
Hank Murphy verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und schluckte, daß sein Gurgelknoten wie ein Fahrstuhl hoch und runter schoß. „Du kannst einem wirklich den Appetit verderben.“ Die Tür knallte hinter ihm zu, um jedoch noch einmal auf gerissen zu werden. „Ein Taschendieb ist eine wahre Entspannung gegen dich!“ fauchte er.
„Wenn es dir recht ist, Hank“, rief Clifton schnell, „lade ich dich am Sonnabend zum Fischessen ein!“ Diesmal kam Murphy nicht noch einmal zurück...
Dicki Miller hatte sich wieder einmal verspätet. Erster und einziger Grund dafür war sein Freund und Feind Ronnie Hastings, der, sozusagen als „Antwort“ auf Dickis Mini-Drachen, eine Neuheit mit in die Schule gebracht hatte. Er nannte es Fallschirm-Kanone. Da niemand in der Klasse des Japanischen mächtig war, blieben ihnen die genaue Bezeichnung wie auch die Erklärungen ein Buch mit sieben Siegeln. Der ganze Apparat glich im Aussehen einer Luftpumpe. Eine Feder in ihrem Innern mußte mit reichlich viel Kraftaufwand gespannt werden. Dann versenkte man eine metallene Halbkugel in das Rohrgebilde, streckte das Ganze gegen den Himmel und betätigte den Abzug. Durch den ungeheuren Druck wurde die Halbkugel annähernd dreihundert Meter hoch geschleudert. Sobald der Scheitelpunkt der Flugbahn überschritten war, öffnete sich ein Fallschirm, und das Geschoß schwebte zu Boden.
Nachdem es beim zweiten Mal haarscharf an der Ladefläche eines vorbeifahrenden LKW niedergegangen war, beschlossen Dicki und Ronnie, die Experimente im nicht weit entfernten Norwood-Park fortzusetzen.
Und so kam es, daß Dicki Miller wieder einmal vergaß, auf die Uhr zu sehen.
Als er jetzt die letzten Stufen zurücklegte, spürte er Schuld und Beklemmung, Wahrscheinlich würde ihn Mam nun wieder mit jenem traurigen Blick ansehen und ihm schweigend das Essen vorsetzen. Das tat ihm weher, als wenn sie mit ihm schimpfte. Er wußte ja, wie sie sich sorgte, wenn er so lange ausblieb. Aber — war er nicht unschuldig? Dicki nickte seinem Schatten zu. Natürlich war er unschuldig. Schuld allein traf Ronnie und dessen Fallschirmkanone!
Nach dem dritten Klingeln atmete er
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