Der silberne Buddha
höflichst um Verzeihung bitten. Auch um Verständnis dafür, daß ich Ihnen diese unangenehme Untersuchung nicht ersparen konnte. Da das Gericht Sie höchstwahrscheinlich als Zeugin hören möchte, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Adresse geben würden.“
„Chalmers Road 16“, murmelte Mrs. Cromwell verwirrt. Und ebenso verwirrt erhob sie sich. Sah Clifton an, Stankey und zuletzt die blonde Frau neben sich. In einer Mischung aus Unglaube und Abscheu flüsterte sie: „Das hätte ich nie gedacht...“
„Sam, bringen Sie die Lady in das gewünschte Stockwerk, und dann sagen Sie bitte Hank Murphy Bescheid, daß ich eine spezielle Kundin für ihn habe.“
„Okay, Perry! Darf ich bitten, Missis Cromwell...“
Die Frau, die sich Kathie Long nannte, wartete, bis sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte. Nichts mehr von dem verängstigten, bedauernswerten Opfer einer eventuellen Verwechslung war an ihr. Kalt und ausdruckslos war ihr Blick, als sie mit höhnischer Stimme feststellte: „Daß Sie diese aufgetakelte Person laufenlassen, bedeutet also, daß Sie mich für die gesuchte Diebin halten. Da Sie keinen Beweis dafür haben, dürften die nächsten Wochen für Sie nicht allzu erfreulich werden/’ Sie schlug die Beine übereinander und tat, als hätte nicht Clifton, sondern sie soeben einen Sieg errungen. Perry Clifton setzte sich ebenfalls wieder. Und er fand genau den richtigen Ton, als er der blonden Frau (die er für äußerst gefährlich hielt!) klarmachte, wie belämmert und hoffnungslos ihre Lage war.
„Mylady, ich würde lügen, wenn ich jetzt behauptete, daß es mir leid täte. Nein, es tut mir kein bißchen leid, daß ich Sie vor den Richter bringen werde. Und die Aussicht, mit einem blauen Auge davonzukommen, ist gleich null. Es wird Ihnen doch bekannt sein, daß in letzter Zeit die Strafzumessungen bei organisiertem Warenhausdiebstahl drakonisch erhöht worden sind.“
Sie fuhr auf. Ihre Stimme klang beunruhigt. „Was reden Sie da von organisiertem Warenhausdiebstahl? Was soll dieser Schwachsinn?“
„Wenn eine Person stiehlt und eine zweite Person das Diebesgut entgegennimmt und abtransportiert, so nennt man das organisiert!!“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich den Mann nicht kannte“, schnaubte sie.
„Und genau das war Ihr Fehler, Mylady. Ein Fehler, für den es drei ausgewachsene Zeugen gibt: Mister Stankey, Missis Cromwell und mich!“
„Zeugen wofür?“
„Für Ihre Bemerkung, den Mann nicht zu kennen. Es ist glücklicherweise Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß bis zu diesem Zeitpunkt nie von einem ,Mann’, sondern immer nur von einer Kontaktperson die Rede war. Ihr Eifer also, den Mann nicht zu kennen, war blinder Eifer!“
Ganz plötzlich sprang Kathie Long (hieß sie wirklich so?) auf und stürzte zur Tür. Perry Clifton sah ihr fast interessiert zu, wie sie versuchte, die Tür zu öffnen. Als ihr endlich bewußt wurde, daß diese einen Sicherheitsverschluß besaß, resignierte sie. Mit hängenden Schultern taumelte sie auf ihren Stuhl zurück.
„Sie sind bereits die dritte, die mir beweist, wie nützlich mein Einfall mit der Tür war. Sie besitzt übrigens einen Elektroverschluß!“ erklärte Perry Clifton. Die Tränen, die Mrs. Long diesmal weinte, waren echt...
10 Uhr 3o
Penny Nichols öffnete das Fenster, sah hinaus, zog schnuppernd die Luft ein und schloß dann das Fenster wieder. Es war warm, er würde keinen Mantel brauchen.
Seine Augen blickten sorgenvoll auf den Käfig, in dem das Purpurweber-Pärchen mit hängenden Köpfen auf der untersten Stange saß und für nichts mehr Interesse zu haben schien, nicht einmal für ihr Futter.
Vielleicht wußte Taggerty Rat.
Penny spitzte die Lippen und stieß ein paar helle, an Zwitschern erinnernde Töne hervor. „Hallo, meine Süßen, ich bin gleich wieder da. Ich bring’ euch auch ein bißchen Weichfutter mit.“ Die beiden Vögel rückten ängstlich näher zusammen.
„Aber, aber, aber, ich tue euch doch nichts“, flüsterte der alte Mann mit dem zerknitterten Gesicht. Er nahm einen Einkaufskorb, legte das Einweckglas hinein, in dem er immer das Weichfutter holte, und verließ seine Wohnung. Schon an der Tür hörte er das sich nähernde Poltern und pfeifende Keuchen auf der Treppe. Letzteres kam ihm sehr bekannt vor. Er verschloß die Tür sorgfältig und sah neugierig den Geräuschen entgegen. Und da tauchten auch schon die ihm bekannte flache, speckige Mütze auf und die rissige
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