Der silberne Buddha
ging, ja, er gab seiner Stimme sogar einen etwas aggressiven Unterton. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Mister. Wer sind Sie überhaupt? Vorgestellt haben Sie sich nämlich auch noch nicht!“
Der Besucher zog sich einen Stuhl heran und setzte sich Penny Nichols gegenüber. Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden.
„Nun hat zur Einleitung jeder sein privates Röllchen gespielt, kommen wir also endlich zur Sache, Mister Nichols. Mein Name ist Clifton, und ich verdanke Ihnen einiges Wissen über exotische Vögel.“
„Aha... Aber wo?“ Penny schluckte einen scheinbar faustdicken Kloß hinunter. Mehr ließ seine Verfassung im Augenblick nicht zu.
„Sie waren so freundlich, uns einen kleinen Vortrag über einige Vögel zu halten, die gegenwärtig zur Ausstattung der Ausstellungsräume im Hartford-Haus beitragen. Bis auf jene chinesische Turteltaube dort. Es war genau heute vor einer Woche... Ebenfalls ein aufregender Mittwoch!“
Penny Nichols ballte unter der Tischplatte die Hände zu Fäusten. Das tat er immer, wenn er sich zwingen mußte, nicht völlig aus der Fassung zu geraten. Bei Cliftons Worten von „Vortrag — uns — Hartford-Haus“ war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Der geheimnisvolle Junge, hier tauchte er auf. Er erinnerte sich jetzt deutlich an die Szene, wie er einem Jungen, einer Miß und diesem Mister Clifton erklärte, wo die chinesische Turteltaube herstammte. Und ganz plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke. „Ich werde zugeben, daß ich mich erinnere.“ Natürlich, was war dabei? Niemand konnte ihm etwas nachweisen. Das heißt... Wieso hatte dieser Clifton... nein, der Junge, wieso konnte der wissen, daß er die Taube besaß? „Die Taube“? Wieso „die“? Er besaß eben auch eine chinesische Turteltaube... Doch das, was dieser entsetzliche Mensch da vor ihm aussprach, ließ sein Blut in den Adern gerinnen. Das war nicht nur irgendein Mister Clifton, das war ein Mister Clifton, der Polizist war. Und dieser sagte: „Wir wollen nicht zu viel Zeit mit Leugnen, Dummtun und angeblichem Nichtwissen vergeuden, deshalb will ich Ihnen auch offen sagen, was wir wissen. Wissen! Mister Nichols, nicht vermuten. Wenn Sie uns helfen, so kann das Ihre Lage nur verbessern!“
„Ich weiß nicht, was Sie wollen, Mister!“ erwiderte Penny Nichols tonlos.
„Sie und Ihre Komplicen drangen in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend in das Hartford-Haus ein. Sie entwendeten den silbernen und den goldenen Buddha. Später kehrten Sie noch einmal zurück, wahrscheinlich in der Nacht zum Sonntag oder vielleicht auch in der Nacht zum Montag, und stellten den inzwischen präparierten silbernen Buddha auf den Sockel des goldenen. Bei dieser Gelegenheit vertauschten Sie auch die chinesische Turteltaube mit einem Kanarienvogel und stahlen aus einem Kellerraum zehn Flaschen Bier!“
„Wieso zehn Flaschen...?“ Pennys Augen blitzten auf, und er wußte im gleichen Atemzug, welch entscheidender Fehler ihm damit unterlaufen war.
Ungerührt fuhr Clifton fort: „Wir wissen natürlich, daß es nur vier Flaschen waren. Im übrigen hätten Sie auch den Vogelatlas wieder zurückbringen können.“
Penny Nichols schwieg.
„Es war gar nicht so einfach, Sie ausfindig zu machen. Mein Freund Dicki Miller, Sie erinnern sich sicher noch an den Jungen in meiner Begleitung, mußte insgesamt über drei Dutzend Zoohandlungen anrufen, bevor er bei der 38. Glück hatte. Man wußte dort sogar, daß Sie neuerdings eine chinesische Turteltaube zu verköstigen haben. Was man natürlich nicht weiß, ist, daß sie aus dem Hartford-Haus stammt!“
Penny Nichols schwieg noch immer.
Konnte ein Mensch mehr Pech haben wie er, Penny Nichols? Der ahnungslos-harmlosen Besuchern erzählte, daß er selbst leider keine chinesische Turteltaube besäße. Nur einem Pechvogel wie ihm konnte es passieren, daß ausgerechnet dieser harmlose Besucher ein Polizist war. Das Wissen darum, daß alles Leugnen sinnlos war, verschloß ihm den Mund. Ja, er gab sich nicht einmal Mühe, über eine eventuelle Verteidigung seines Tims nachzudenken. Stumm beobachtete er die Purpurweber, denen man die vorübergehende Verstimmung nicht im geringsten mehr ansah. Besonders das viel intensiver rot gefärbte Männchen machte sich durch besondere Munterkeit bemerkbar.
Was sollte aus ihnen werden, wenn man ihn einsperrte...? Und mitten hinein in diese Überlegung schob sich eine Erkenntnis, die ihn erschaudern ließ. „Ich bin schuld!“
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