Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
seinen Sohn auf den linken Arm und reichte Marguerite den rechten, um sie zum Turm zu führen, der über eine mächtige Außentreppe betreten wurde.
Richard strampelte und wollte laufen, doch ein strenger Blick seines Vaters dämpfte sein Auflehnungsbedürfnis umgehend. Er steckte den Zeigefinger in den Mund und drehte den Kopf weg, um William über die Schulter zu sehen.
Gäste und Knechte stiegen, dicht aneinandergedrängt, die Treppe hinauf und hinunter, sodass das Holz beängstigend ächzte und knarrte.
»I ch bin so aufgeregt « , raunte Marguerite William freudig zu. »W eihnachten bei Hof ist wunderbar, glaub mir! «
Als sie die Halle betraten, die über und über mit Efeu, Mistelzweigen und anderem Grün geschmückt war und nach Zimt und Würzwein duftete, wurde William ganz flau vor Aufregung.
Die größten Barone Englands, gewandet in sehr viel prächtigere Kleider als seine eigenen, mit pelzgefütterten Mänteln und kostbaren Waffen angetan, standen in kleinen Grüppchen beieinander, tranken Wein und unterhielten sich ausgelassen. William wusste aus den Erzählungen seiner Mutter, dass sich die meisten von ihnen schon von Kindesbeinen an kannten; viele von ihnen waren gemeinsam zu Pagen und Schildknappen ausgebildet und später zu Rittern geschlagen worden, die Großzahl war miteinander verwandt oder verschwägert. William jedoch kannte niemanden.
»S etz den Jungen ab. Ich werde ihn an die Hand nehmen, damit du jederzeit Hände schütteln kannst « , raunte Marguerite ihm zu, und William tat, wozu sie ihn aufgefordert hatte. Richard wollte sich schon losreißen, doch Marguerite war schneller. »W ag nicht wegzulaufen! « , flüsterte sie und sah ihren Sohn streng an.
Richard nickte brav und schaute seine Mutter mit großen Augen an.
Während sich Marguerite ganz offensichtlich wohlfühlte und sofort den einen oder anderen Baron mit einem strahlenden Lächeln begrüßte, überkam William das altbekannte Gefühl, nicht dazuzugehören. Wer sollte ihm schon die Hand schütteln? Er war einigen der Anwesenden zwar schon früher begegnet und ihnen als de Ferrers’ Falkenmeister auch vorgestellt worden, doch sicher konnte sich daran keiner von ihnen mehr erinnern.
Mit zitterndem Herzen, aber hoch erhobenen Hauptes führte William seine Gemahlin weiter, drängte sich mit ihr durch die Menge und erreichte schließlich Johns Thron.
Der König erhob sich freudig, ging auf Marguerite zu und umarmte sie lange. William legte er eine Hand auf den Arm, als der sich tief verbeugte. Einige der Barone tuschelten miteinander. Vermutlich erkundigten sie sich bei ihrem jeweiligen Nachbarn, woher wohl des Königs Gunst für William rührte.
Auch Königin Isabelle begrüßte Marguerite voller Freude. Sie schenkte dem kleinen Richard ein strahlendes Lächeln und streckte die Arme nach ihm aus. Doch König John kam ihr zuvor und hob den Knaben hoch.
William hielt gespannt die Luft an. Für gewöhnlich schrie sein Sohn aus Leibeskräften und schlug um sich, wenn er von Fremden auf den Arm genommen wurde.
John sah Richard prüfend, aber nicht unfreundlich an, und der Junge lächelte trotz des Fingers in seinem Mund und befühlte mit der freien Hand die glitzernden Edelsteine auf des Königs Gewand. John grinste zufrieden und begann, das Kind zu kitzeln, bis es sich wand und glucksend lachte.
»E in strammes Kerlchen « , lobte er die stolzen Eltern. »W ie heißt er? «
»R ichard « , antwortete Marguerite, »n ach meinem Vater « , fügte sie erklärend hinzu.
»G roßartig. « John lächelte zufrieden.
»G uillaume! « Der König wandte sich an den Maréchal, der mit langen Schritten auf ihn zukam. »S eht nur, was für ein prächtiger Knabe! « Er hob den Jungen hoch und reichte ihn schließlich zurück an Marguerite.
Der Maréchal nickte freundlich. »M arguerite, wie schön, Euch und Euren Gemahl hier zu sehen! « , sagte er und klopfte William auf die Schulter.
Der errötete. Obwohl er tagelang mit Marguerite über die Gepflogenheiten bei Hof gesprochen hatte, wusste er nun nicht, wie er den Maréchal ansprechen sollte. Er war jetzt auch ein Baron, wenn auch einer von niederem Rang, und hatte Regeln einzuhalten. »D ie Freude ist ganz die unsere, Sir Guillaume! « , begrüßte er den Maréchal darum unsicher.
»G uillaume, einfach nur Guillaume « , korrigierte der Maréchal ihn freundlich und gab William damit zu verstehen, dass er ihn von nun an als Freund und seinesgleichen betrachtete.
William hörte
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