Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
hielte er die einfachen Leute um sich herum für zu dumm, zu diesem simplen Schluss zu kommen, sah er in die Runde.
Pater John schwieg dazu, betrachtete aber eingehend die Hände des Priesters. Sie waren zu Fäusten geballt. Zwischen den Fingern lugten Reste von Gras hervor, als hätte der Ärmste versucht, sich am Ufer festzukrallen. Außerdem hatte er Schnitte an den Händen, wie Schilf sie verursacht.
»H at er getrunken? « Pater John dachte wohl an den Vorgänger des jungen Priesters und sah die Dorfbewohner fragend an. Sie schüttelten einhellig die Köpfe.
»N ein, Pater « , bestätigte der Dorfälteste. »E r war ein anständiger, gottesfürchtiger Mann. Auch gehurt hat er nicht. «
»W ir werden ihn morgen auf dem Kirchhof begraben « , erklärte Pater John. Dann sprach er von Jesus und dem Kreuz, das sie alle zu tragen hatten, und erteilte den bedrückten Dorfbewohnern den Ostersegen. Als die tröstenden Worte verklungen waren, löste sich die Menge auf. In kleinen Gruppen, leise tuschelnd, gingen die Bauern und Handwerker mit ihren Familien ins Dorf zurück.
»J esus, bist du blass! « Robert stieß William freundschaftlich den Ellenbogen in die Rippen. »Ü ble Sache. Nimmt dich wohl ziemlich mit? «
»I ch muss mit dir reden. Allein « , zischte William und zog seinen Freund fort, ohne sich nach Odon und seinen Kumpanen umzudrehen. Die ganze Zeit hatte er sie beobachtet. Zunächst hatten sie erschrocken ausgesehen, doch schon bald hatten sie derbe Scherze zum Besten gegeben. Die wütenden Bemerkungen der Dorfbewohner über ihre mangelnde Haltung und die tadelnden Blicke Pater Johns hatten sie kaltgelassen. Dabei wussten sie doch genau, was geschehen war! Aber offenbar fühlten sie sich vollkommen sicher, unbesiegbar. Keiner von ihnen konnte schließlich ahnen, was William beobachtet hatte.
Als er mit Robert allein war, blickte er sich vorsichtig um. Niemand sollte sie unbemerkt belauschen können.
»O don und seine Kumpane waren es. «
Robert sah ihn verständnislos an. »W aren was ? «
»S ie haben ihn auf dem Gewissen. «
»D en Priester? Ach, William, er ist ertrunken. Nicht jeder kann schwimmen. «
»U nd was hatte der Priester im Wasser zu suchen? Baden bei diesem Wetter? Mit Kutte? Wo doch jeder weiß, wie schwer solch ein Ding ist, wenn es sich voll Wasser saugt? «
Robert zupfte sich an den vereinzelten Barthaaren, die gerade erst zu sprießen begonnen hatten, und zuckte mit den Schultern. »E r wird reingefallen sein. «
»R eingefallen? « William verzog das Gesicht. »D er Weg ist weit genug vom Weiher entfernt, warum sollte er ihn verlassen haben, wenn nicht … «
»W enn nicht? «
»W enn nicht jemand hinter ihm her gewesen wäre? «
Robert zog ungläubig die Augenbrauen hoch, sodass sich kleine Furchen in seine Stirn gruben.
»I ch habe es mit eigenen Augen gesehen, Rob. «
»O don? «
»E r und seine reizenden Freunde, ja. « William sah unbehaglich zu Boden. »I ch wusste nicht, dass es der Priester war, den sie verfolgt haben; ich dachte, es wäre einer von den Bauernjungen. Die sind flink und gerissen, deshalb habe ich mir keine allzu großen Sorgen gemacht. Aber es war der Priester, ganz sicher. Das weiß ich jetzt. Plötzlich war er weg. Ich vermutete, er sei entkommen. Doch nun denke ich, sie haben ihn in den Weiher gestoßen und elend ertrinken lassen. Sind einfach fortgeritten, die Schweinehunde! «
»P uh. « Robert blickte ratlos drein.
»W as soll ich denn jetzt nur tun, Rob? «
»E s ist besser, du vergisst, was geschehen ist. «
»U nd lasse sie davonkommen? «
»D ein Wort wird gegen ihres stehen. «
»A ber … «
»W illiam, glaub mir, du bringst dich nur in Teufels Küche « , beschwor Robert ihn eindringlich.
»A ber ich kann doch nicht … «
»D u musst, William. Und jetzt komm, sonst wundern sich die anderen, wo wir so lange bleiben! «
Zwei Wochen trug William sein Wissen mit sich herum, doch der Tod des Priesters ließ ihm keine Ruhe. Ständig tauchte das Bild der Leiche vor ihm auf. Am Sonntag nach der Messe hielt er sein schlechtes Gewissen nicht mehr aus. Er bat Pater John, der vorläufig die Gottesdienste im Dorf hielt, ihm die Beichte abzunehmen.
»I ch habe gesündigt, Vater, und bitte um Vergebung. «
»S prich, mein Sohn. «
»I ch weiß, was geschehen ist. «
»E rkläre dich deutlicher, mein Sohn. «
William erzählte, was er an dem Nachmittag vor Ostern gesehen hatte, und Pater John lauschte seinen Worten, ohne ihn zu
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