Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
schwindelnde Höhen stieg, war William an der Reihe. Er holte Easy unter seinem Umhang hervor, sprach leise zu ihr und warf sie in die Luft.
Geschickt wendete der Graureiher immer wieder, um der Verfolgung durch den Falken zu entgehen, doch Easy ließ sich nicht entmutigen. Als sie sich über den Graureiher hinausschraubte und dann herniederstieß, schrie jemand entsetzt auf: »S eht doch! «
Alle Blicke waren auf Easy gerichtet, als der spitze Schnabel des offensichtlich erfahrenen Reihers drohte, sie von unten her aufzuspießen wie eine Schere.
Auch William sah atemlos nach oben. Sein Herz schlug wie toll vor Sorge um Easy. Ein Greif musste atzgierig sein, um erfolgreich zu jagen. Andererseits konnte übermächtiger Hunger ihn zu mangelnder Vorsicht und ungewohnter Kühnheit verleiten, bei dem er seinen natürlichen Instinkt vergaß. William hatte versucht, den Mittelweg zu finden. Offensichtlich war ihm das gelungen, denn Easy war in hervorragender Kondition, erkannte die Gefahr rechtzeitig und wusste, was sie tun musste. Elegant stieß sie an dem Reiher vorbei.
Erleichtertes Aufatmen war allenthalben zu hören.
Während der Reiher versuchte, sich auf dem Boden niederzulassen, weil ihn der Falke dort nicht schlagen konnte, entfernte sich Easy und schraubte sich wieder in die Höhe. Die Hunde ließen den Graureiher nicht in Frieden und scheuchten ihn immer wieder auf. Abgelenkt von ihrem Gebell, flog er hoch und bemerkte Easy erst über sich, als es bereits zu spät war. Wie ein Blitz stieß sie auf den Ahnungslosen nieder, versetzte ihm einen heftigen Stoß und verwundete ihn mit den Krallen ihrer Hinterzehen.
Die Beobachter raunten bewundernd, als der Graureiher, trudelnd und mit rudernden Schwingen, vom Himmel fiel. Easy folgte dem tödlich verletzten Vogel und packte ihn noch in der Luft, um ihn an einen sicheren Platz zu tragen.
William und Robert wussten, dass die Gefahr durch den spitzen Schnabel des Reihers nicht gebannt war. Noch immer konnte sich der verwundete Reiher wehren. Also preschten sie, jeder von einer anderen Seite kommend, in die Richtung, in der Falke und Beute niedergehen würden.
Die feuchte Erde spritzte mit schmatzenden Geräuschen unter den Hufen ihrer Pferde empor. William starrte nach oben und behielt Easy im Auge, als er plötzlich von seinem Pferd katapultiert wurde. Ohne zu verstehen, was geschah, flog er durch die Luft und landete mit schmerzenden Knochen rücklings im Matsch.
»K annst du nicht achtgeben! « , fuhr ihn Walter de Hauville an. »H ast du keine Augen im Kopf? «
William rappelte sich auf. Sein Fuß war verletzt, und sein Steiß schmerzte höllisch. »I ch muss zu meinem Falken! « , knurrte er mit bitterbösem Blick. De Hauville hatte ihn geschnitten, und William war sicher, dass er es mit Absicht getan hatte, auch wenn er nicht begriff, warum. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hinkte er so schnell wie möglich zu Easy. Die Bell, das Glöckchen an ihrem Fuß, führte ihn geradewegs zu dem Platz, an dem sie auf ihrer Beute stand.
Damit der Schnabel des Reihers sie nicht doch noch verletzen konnte, hatte Robert ihn bereits in den Boden gebohrt.
William suchte als Belohnung für Easy ein besonders gutes Stück Fleisch aus seiner Falknertasche und ließ sie noch auf dem Reiher davon kröpfen. Geschickt ließ er sie auf seine Faust übertreten und dort ihre Mahlzeit beenden. Die Fleischmenge war so bemessen, dass Easy hungrig genug blieb, um später erneut auf einen Reiher geworfen werden zu können.
William trug den Falken von der Beute fort, damit Robert den Reiher aufheben und zu Sir Ralph bringen konnte.
Weil Easy den ersten Graureiher des Tages auf so spektakuläre Weise geschlagen hatte, erhielten Vogel und Falkner begeisterten Beifall. Als William jedoch an Walter de Hauville vorbeihinkte, warf dieser ihm einen bitterbösen Blick zu.
Wenn ich nur wüsste, was er gegen mich hat!, dachte William wütend.
Nach Easys Erfolg wurde die Jagd mit noch größerem Enthusiasmus fortgesetzt, und nach kurzer Zeit waren Pferde und Reiter über und über mit Schlamm besudelt. Wie immer stürzte auch diesmal noch so mancher Jäger vom Pferd und landete fluchend im Dreck. Die meisten kamen jedoch wie William mit einem schmerzenden Hinterteil, blauen Flecken und kleineren Verstauchungen davon. Verletzungen schlimmerer Art gab es zum Glück nicht.
Am Ende der Beize hatten sich alle bis zur Erschöpfung verausgabt. Euphorisch über die reiche Beute und den glücklichen
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