Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
der Suche nach dem Werkzeug drehte sich William hilflos um sich selbst.
»N un mach schon « , drängte seine Mutter, »d as Eisen wird zu heiß! «
William hörte das Tuscheln der beiden älteren Lehrbuben hinter sich und konnte ihre schadenfrohen Blicke wie Nadelstiche in seinem Rücken spüren. Als er die Hitze der Schamesröte fühlte, die ihm nun ins Gesicht stieg, wäre er ihnen am liebsten an die Gurgel gegangen. Stattdessen jedoch griff er nach der erstbesten Zange und reichte sie seiner Mutter.
»H immel, Junge! Nicht die Rundmaulzange, die Wolfsmaulzange habe ich gesagt! « , schimpfte die Schmiedin, als das Eisen, das sie im Feuer hatte, nun begann, Funken zu versprühen, weil es zu heiß wurde. »I ch war nicht einmal halb so alt wie du, als ich sämtliche Werkzeuge voneinander unterscheiden konnte! « , seufzte sie.
William streckte sich und füllte seine noch etwas schmächtige Kinderbrust ärgerlich mit Luft. Auch wenn er manchmal für jünger gehalten wurde, weil er kleiner war als die meisten Kinder seines Alters, war er doch alt genug, um jedes Werkzeug in der Schmiede und seine Verwendung zu kennen. Aber Zangen, Abschrote und Hämmer interessierten ihn nun einmal nicht im Geringsten! Beim Ausatmen entwich ihm ein empörtes Schnaufen. Rundmaulzange und Wolfsmaulzange ähnelten einander bis auf die kleinen Kerben, die Letztere seitlich besaß. Wenn man nicht genau hinsah, konnte man sie schon einmal verwechseln, und er hatte eben nicht richtig hingeschaut! William rollte mit den Augen. Er hatte wirklich nicht die geringste Lust, Schmied zu werden!
Als sich Ellenweore mit dem Handrücken über ihr verschwitztes Gesicht wischte und dabei einen breiten Streifen Ruß über ihrem Mund verschmierte, stieg ein hysterisches Kichern in William auf und ließ ihn nicht mehr los. Der Streifen sah ja aus wie ein Bart! Mit aller Kraft bemühte er sich, das Lachen zu unterdrücken, das aus ihm herausbrechen wollte.
»S chämen solltest du dich, anstatt zu grinsen! « , fuhr die Schmiedin ihn empört an. »A ch, du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen! «
Die verletzenden Worte seiner Mutter trafen William, doch das wollte er sich vor den beiden Lehrjungen auf keinen Fall anmerken lassen. Lieber biss er sich auf die Unterlippe und starrte ein Zunderblättchen auf dem Boden an. Als er sich schließlich gefangen hatte und wieder aufblickte, hatte sich Ellenweore schon wieder dem Amboss zugewandt und beachtete ihn nicht mehr.
»D u Armer! « Adam formte die Worte lautlos hinter dem Rücken der Schmiedin und verzog das Gesicht spöttisch. Er war der älteste und frechste der drei Lehrbuben. Feixend stieß er Brad, den Sohn des Zunftmeisters, an.
»L uke, gib mir die Wolfsmaulzange « , forderte Ellenweore den jüngsten ihrer Lehrlinge auf. Sie zog die Augenbrauen hoch, als Luke, der erst seit dem Frühjahr das Schmiedehandwerk lernte, ihr die richtige Zange reichte, und sah ihren Sohn vorwurfsvoll an.
William wusste, dass er sie schon wieder enttäuscht hatte, dabei sollte sie doch stolz auf ihn sein!
»I ch hasse die Schmiede! Und die dummen Zangen auch! Ich brauche sie ohnehin nicht, weil ich nämlich niemals Schmied werde! « , platzte er trotzig heraus.
Ellenweore sah erstaunt auf.
William funkelte sie nur zornig an, machte ohne ein weiteres Wort kehrt und stürzte aus der Werkstatt.
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete er tief ein.
Der Oktober lockte schon seit ein paar Tagen mit herrlichem Sonnenschein und leichtem Wind, der den Bäumen die trockenen Blätter entriss und sie zu raschelnden Haufen auftürmte. Als eine Windböe sie in kleinen Wirbeln über den Hof fegte, sah es aus, als tanzten sie einen fröhlichen Reigen miteinander. Doch nicht einmal dieser Anblick konnte William von seinem Kummer ablenken. Auf der Suche nach ein wenig Zuneigung und Geborgenheit ging er zu Graubart hinüber, der noch immer an derselben Stelle im Hof lag, kniete sich neben ihn und schmiegte seine Wange an das struppige graue Fell seines alten Freundes. Liebevoll kraulte er den Hund hinter den Ohren. Dann richtete er sich auf.
»I ch kann’s ihr einfach nicht recht machen! « William war noch immer aufgewühlt. Er zupfte ein verirrtes Ästchen aus den haarigen Lefzen des Hundes.
Graubart sah ihn hingebungsvoll an und zuckte abwechselnd mit den Augenbrauen.
»I ch will’s auch gar nicht! « , knurrte William widerspenstig. »I ch werde nämlich Falkner. «
Plötzlich wurde der alte Hund unruhig,
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