Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
angenommen und ihn zu seinem Nachfolger ernannt. Dreißig Jahre waren seitdem vergangen, und Henry II. hatte England in dieser Zeit Frieden und Wohlstand gebracht. Auch wenn man seine legendären Wutausbrüche und seine Strenge fürchtete, so liebten die Engländer ihren König doch.
Seine Gemahlin hatte ihm neben Töchtern auch vier gesunde Söhne geschenkt und so die Erbfolge gesichert. Eleonore von Aquitanien war zwar um einiges älter als ihr Gatte, aber mit großer Schönheit und außergewöhnlicher Klugheit gesegnet, sodass die beiden viele Jahre lang ein glückliches Paar gewesen waren. Irgendwann jedoch hatte sich der König anderen Frauen zugewandt. Eleonore hatte sich daraufhin verbittert von ihrem Gatten zurückgezogen und geschickt den Machthunger der Prinzen ausgenutzt, um sich zu rächen. Sie hatte ihre Söhne mehrfach zur Rebellion gegen den eigenen Vater aufgehetzt, bis der König sich keinen anderen Rat gewusst hatte, als seine ungehorsame Gemahlin auf wechselnden Burgen einzusperren, um sie an weiteren Intrigen gegen ihn zu hindern.
William konnte nicht anders, als den König anzustarren. Seine Mutter hatte gemeint, die Königin müsse ihn sehr geliebt haben, wenn sie ihn jetzt so hasste. Ob das wohl stimmte?
Dicht hinter dem König hatte sich eine stattliche Anzahl leicht bewaffneter Ritter und Knappen versammelt. Ein Stück weiter warteten die Hundeführer mit ihren Vorstehern, die, neugierig schnüffelnd, an ihren Lederleinen zerrten. Die jüngeren Jagdgehilfen steckten die Köpfe zusammen und lachten glucksend. Sobald sie sich unbeobachtet fühlten, begannen sie sich freundschaftlich zu balgen. Ganz am Rand dagegen standen aufrecht und schweigend die Falkner. Sie strahlten Stolz und Eleganz aus mit den edlen Vögeln auf ihren leicht nach vorn gestreckten Fäusten.
Bei ihrem Anblick vergaß William alles andere um sich herum.
Die Schmiede hatten sich währenddessen voller Ehrfurcht die ledernen Hauben vom Kopf gerissen und standen nun in tiefer Verbeugung vor der Werkstatt.
Ellenweore, die etwas vorgetreten war, sowie Rose und die Mägde des Hauses, die zu ihrer Linken standen, versuchten sich an einem Knicks mit züchtig gesenktem Blick.
Nur William starrte noch immer mit offenem Mund die Falkner an. Wie stattlich und elegant sie aussahen! Erst als Isaac ihm einen unsanften Schubs gab, klappte er den Unterkiefer hoch und verbeugte sich eilig. Aus den Augenwinkeln betrachtete er die vornehm gekleideten Ritter. Ihre Pferde tänzelten und dampften in der abendfeuchten Herbstluft. Einen Moment fragte er sich, ob wohl sein Vater unter ihnen sein mochte. Ob er in Diensten des Königs war? Oder längst tot?
Plötzlich vernahm William die kräftige Stimme des Königs und sah erstaunt zu ihm hin.
»W er von euch ist die Schwertschmiedin? « , fragte Henry II. Er klang ein wenig ungnädig.
»D as bin ich, Sire, zu Euren Diensten. « Ellenweore sprach laut und deutlich, nur ihr erneuter Knicks wirkte etwas unbeholfen.
Henry blickte mit gerunzelter Stirn auf sie herab. »W ie ich hörte, hast du ein recht ordentliches Schwert für meinen ältesten Sohn gemacht – Gott hab ihn selig! « Der König schickte einen kurzen Blick zum Himmel und schlug das Kreuzzeichen.
William wusste – ebenfalls von seiner Mutter –, dass der junge Henry vor etwas mehr als einem Jahr gestorben war, und als der König kurz blinzelte, glaubte er, neben majestätischer Strenge auch Trauer um den verstorbenen Sohn in den Augen des Herrschers zu sehen.
»M öge er in Frieden ruhen « , murmelte Ellenweore und bekreuzigte sich ebenfalls.
»R unedur heißt das Schwert, nicht wahr? «
»J awohl, Sire! « Ellenweore blickte zu ihm auf. Ihr kleines Lächeln verriet, dass sie sich geschmeichelt fühlte.
Vor Stolz auf seine Mutter wurde William ganz warm unter seinem Kinderkittel, obwohl es gar nicht heiß war. Kleine Schweißperlen liefen ihm die Schläfe hinunter. Ellenweore war sicher die berühmteste Schwertschmiedin von ganz England! Wäre sonst der König höchstselbst zu ihr gekommen?
»G ut, gut « , winkte dieser jedoch ab, »a ber wegen des Schwertes bin ich nicht hier! « Er klang ungeduldig.
»W enn nicht mit Schwertern, womit kann ich Euch dann dienen, Sire? « Nicht das kleinste Zittern war in ihrer Stimme zu hören.
William, der unwillkürlich in sich zusammengesunken war, bewunderte ihre Fassung. Sie musste doch noch viel enttäuschter sein als er!
»M ein wertvollster Falke ist abgängig! « , stieß
Weitere Kostenlose Bücher