Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
aus seinem Verlies zu kommen. Falls es nicht der Burgherr war, der zurückgekehrt war und ihn nun holen ließ, würde er die Gelegenheit nutzen und versuchen zu fliehen, denn dann war dies vielleicht seine einzige Chance zu überleben! Bald schon würde er zu schwach sein, um noch davonlaufen zu können.
Als der Eisenschlüssel herumgedreht wurde, schloss William die Augen und stellte sich schlafend.
Der Wächter und ein Soldat betraten das Verlies.
William blinzelte kurz, um sehen zu können, was geschah.
Jeder der beiden Männer trug eine Fackel. Als eine davon in seine Richtung gestreckt wurde, kniff William die Augen wieder fest zusammen.
» D a ist er, seht Ihr? « , hörte er die Wache sagen.
»M eine Mutter wird nicht ewig warten wollen « , vernahm William eine näselnde, ungeduldige Stimme. »W ir sollten endlich gehen. Der Gestank ist ja nicht auszuhalten! «
Ein Schauer jagte ihm über den Rücken. Sibylle! Er hatte ihre Stimme sofort erkannt, und doch klang sie erschreckend fremd. Ungläubig öffnete er die Augen. Es war tatsächlich die Tochter der Burgherrin, die da sprach. Wie kaltherzig sie klingen konnte!, dachte William resigniert. Ihm wurde übel vor Enttäuschung. Er hatte ihr vertraut! Aber Blut war eben doch dicker als Wasser. Vermutlich hatte die Burgherrin ihrer Tochter die Geschichte von seiner Beteiligung am Tod des Priesters so glaubhaft geschildert, dass sie schließlich doch an ihm, William, zu zweifeln begonnen hatte. Darum hatte sie also den Jungen nicht mehr geschickt!
»S teh auf. Die Lady will dich sehen! « Der Wächter versetzte ihm einen Tritt gegen die Hüfte.
William ließ sich den Schmerz nicht anmerken und erhob sich umständlich.
Der junge Soldat beäugte Sibylle wie ein hungriger Wolf.
Geschieht ihr recht, dachte William bitter, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.
» G eht nur voran, Mistress. « Mit einer anzüglich wirkenden Geste deutete der Soldat ihr den Weg und folgte ihr.
William fühlte den Zorn auf Sibylle wie eine heiße Welle über sich hinwegfluten. Seine Mutter hatte es ja immer gesagt, auf die feinen Leute war kein Verlass!
Als die Wache abschloss, stieß Sibylle ihn rasch an und zwinkerte ihm zu. William zweifelte plötzlich an seinem Urteil und umklammerte den Stein in seiner Faust, als wäre er der letzte Halt. Ob sie doch gekommen war, um ihm zu helfen? Ja, im Grunde konnte kein Zweifel daran bestehen. Dankbarkeit durchflutete ihn. Vielleicht sollte er, oben angekommen, versuchen zu fliehen? Wollte sie ihm das sagen?
Die Stufen waren steil. Williams Herz klopfte, als wollte es ihm aus der Brust springen. Schon nach wenigen Schritten brannte ihm der Atem in der Kehle wie nach einem schnellen Lauf. Wie sollte er da fliehen? Er war durch die Gefangenschaft viel zu geschwächt. Nach wenigen Schritten schon würde er erschöpft zusammenbrechen.
»D u wirst ihn allein zur Lady bringen müssen, ich bleibe hier. Wir dürfen die Wachstube nicht unbeaufsichtigt lassen « , brummte die Wache dem Soldaten zu und strich sich über den fleckigen roten Bart.
»M it dem allergrößten Vergnügen, bei dieser reizenden Begleitung. « Der junge Mann ließ seine Augen ungebührlich lange auf Sibylle ruhen.
William konnte kaum an sich halten, als er es bemerkte, aber Sibylles Blick bedeutete ihm, ruhig zu bleiben.
»F essel ihn lieber « , befahl die Wache.
William streckte ihm die vor der Brust gefalteten Hände entgegen und bemühte sich, seinen Stein zwischen ihnen zu verbergen. Glücklicherweise war es so schummrig in dem Raum, dass niemand den Stein bemerkte. Der Mann wickelte das Seil um Williams Handgelenke und zog es besonders fest. »A ngenehm so? « Er grinste spöttisch. Obwohl die Fessel in seine Haut schnitt, erwiderte William nichts.
» L os jetzt! « Die Wache öffnete die Tür und gab William einen Stoß.
Er stolperte über die Schwelle und wäre beinahe gestürzt.
»S chwächling! « , knurrte die Wache abfällig.
Der Soldat nahm eine Fackel von der Wand, ließ Sibylle den Vortritt und folgte ihr.
William atmete die laue Sommerluft tief ein. Konnte es etwas Herrlicheres geben? Eine warme Mahlzeit, ein Krug frisches Bier, ein Bett mit Strohmatratze, ein heißes Bad und saubere Kleider, dachte er, ohne zu zögern, und musste schmunzeln, weil ihm so viel eingefallen war.
»G eh schon. Rüber zum Turm! « , befahl der Soldat und stieß ihn voran.
William taumelte kurz, stolperte aber weiter, damit er nicht noch einmal geschubst
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