Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
»H ab Dank für alles « , sagte er und machte sich ebenfalls auf den Weg.
Die wiedergewonnene Freiheit gab ihm neuen Mut. Wenn Odon von seiner Flucht erfuhr, würde er ihm folgen, dessen war William gewiss. Um ihm zu entkommen, musste er deshalb möglichst rasch in weniger übersichtliches Gelände gelangen.
Als die Sonne aufging, war er am Rande der Erschöpfung. Auf den letzten Meilen war er immer wieder gestürzt, hatte sich aufgerappelt und weitergeschleppt. Nach einem Stück Brot und ein paar Schlucken Wasser hatte er geglaubt, noch ein wenig durchhalten zu können, hatte aber schließlich doch erkennen müssen, dass er zu geschwächt war. Er wusste nicht, wohin er sich wenden sollte, und suchte sich mit letzter Kraft ein Versteck.
Unter einer mächtigen Baumwurzel entdeckte er eine Kuhle, die mit weichem Moos bewachsen war. Er nahm sein Messer vom Gürtel und schnitt zwei üppig belaubte Zweige von einem Strauch, dann rollte er sich in der Kuhle zusammen und legte die Äste als Tarnung über sich.
Es war helllichter Tag, als er erwachte. Sein Schlaf war schwer und traumlos gewesen. William fühlte sich erstaunlich gut, stand auf und reckte sich. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es bereits Nachmittag. William aß das letzte Stück Käse aus dem Bündel und trank den Wasserschlauch leer. Er würde ihn schnellstens wieder auffüllen müssen. William prüfte die verbleibenden Vorräte. Er war so hungrig gewesen, dass er gleich am ersten Abend mehr als die Hälfte des Proviants verspeist hatte. Trotzdem aß er noch eine Scheibe Speck und einen Apfel. Für seinen weiteren Weg brauchte er Kraft.
Es war Zeitverschwendung zu warten, bis die Sonne unterging. Wenn er den Waldwegen fernblieb, solange es hell war, würde er sicher niemandem begegnen.
Als es zu dämmern begann, hatte noch immer keine Menschenseele seinen Weg gekreuzt. Plötzlich jedoch vernahm er die Schläge von schweren Hufen auf dem Waldboden.
»D a ist er! « , hörte er jemanden brüllen. Gehetzt drehte William sich um. Drei Reiter, von denen einer in seine Richtung deutete, waren ihm auf den Fersen! Odon und seine Männer!
Die Angst, erneut gefangen genommen zu werden, schnürte ihm die Kehle zu. Er rannte los. Obwohl sein Fuß schmerzte, schlug er Haken wie ein Hase, um seine Verfolger abzuschütteln. Doch er hörte sie noch immer dicht hinter sich. Sie durften ihn nicht einholen! William keuchte, sein Herz pochte heftig. Er lief auf eine Baumreihe zu und stand plötzlich vor einem steilen Abhang. Nur einen winzigen Moment zögerte er. Dann rutschte er den Hang hinab, strauchelte mehrmals und landete schließlich auf einem breiten Weg, der durch den Wald führte. Er überquerte ihn und glitt auch die nächste Böschung hinunter, bis er einen hervorspringenden Erdhügel erreichte, der mit dichtem Buschwerk bewachsen war. Unter ihm konnte er sich verstecken.
Seine Füße fanden kaum Halt, und er drohte, in den Abgrund zu rutschen! William krallte sich am Gebüsch fest, versuchte, ruhig zu atmen, und wartete ab, was geschehen würde.
Es blieb eine ganze Weile ruhig, und schon wähnte er sich in Sicherheit, als er das Stampfen der Pferde erneut vernahm. William presste sich an den Busch und wagte kaum zu atmen.
»H e, ihr da! « , erklang eine herrische Stimme.
Odon!
» W ir suchen einen Halunken, der aus dem Kerker von Thorne ausgebrochen ist. Habt ihr ihn gesehen? «
William schloss ängstlich die Augen. Offensichtlich waren Reisende auf dem Weg über ihm. Er hatte sie in seiner Eile nicht bemerkt, aber wenn sie ihn gesehen hatten und ihn verrieten, war er verloren.
»N ein, Mylord, verzeiht, uns ist seit Sonnenaufgang niemand begegnet « , antwortete ein Mann in unterwürfigem Ton.
»L ass das, komm her! « , rief eine Frau gereizt, und ein dünnes Kinderstimmchen antwortete besorgt:
»A ber meine Puppe ist runtergefallen! «
Jetzt sah auch William sie. Die Stoffpuppe hatte sich ausgerechnet in dem Gestrüpp verfangen, in dem er sich versteckte! Er duckte sich, doch es nützte nichts. Mit einem Mal erschien das verschmierte Gesicht eines etwa fünf Jahre alten Mädchens vor ihm. Mit großen Augen blickte ihn das Kind an. Es musste bäuchlings auf dem Weg über ihm liegen. Wenn es nur nicht herabstürzte!
Williams Herz schlug so heftig an seine Brust, dass er glaubte, es wolle jeden Moment herausspringen. Er legte seinen Zeigefinger über die Lippen und hoffte, das Mädchen würde seine Geste verstehen und ihn nicht
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