Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
Vom Netzwerk:
dann bückte er sich und pflückte einen großen Strauß der zarten Blumen. Enid liebte ihre flüchtige Schönheit. Wenn die Blütenblätter nach weniger als einem Tag abfielen, dann brühte sie aus ihnen einen wunderbar mild schmeckenden Aufguss, den sie mit wildem Honig süßte. William fühlte sich unendlich glücklich, seit er sich für Enid und das Kind entschieden hatte. Wenn er mit dem Mohn zurückkam, würde Enid sofort wissen, dass er bleiben wollte, und ihm verzeihen.
    Als er fast die ganze Faust mit den haarigen Stängeln gefüllt hatte, blickte er zum Himmel. Aus den Schäfchenwolken war eine undurchdringliche graue Schicht geworden, die nun die Sonne verdeckte. Doch dem Hochgefühl, das er empfand, konnte der Wetterumschwung nichts anhaben. William rannte los, sprang über Büsche und Farne, Baumwurzeln und Blumeninseln, bis er die winzige Lichtung erreichte, auf der ihre Hütte stand. Wundervoll still und friedlich sah sie aus.
    »E nid! « , rief er schon von weitem. Und, vom schnellen Lauf außer Atem, noch einmal: »E nid! «
    Doch weder sie noch David kamen ihm entgegen. Verwundert lief William auf die Hütte zu. Kein Laut war zu hören. Die Tür stand sperrangelweit auf. Schwärze gähnte ihm aus dem Inneren entgegen. Er entdeckte Spuren auf der Erde, kniete sich hin und betrachtete sie prüfend. Es waren eindeutig Hufabdrücke von drei Pferden.
    Ein ungutes Gefühl breitete sich plötzlich in seinem Bauch aus. Irgendetwas war hier nicht in Ordnung! Er sprang auf und lief um die Hütte herum.
    Der Anblick von Enids leblosem Körper traf ihn wie ein Keulenschlag. Wie erstarrt stand er da und starrte auf das entsetzliche Bild, das sich ihm bot. Seine Hand öffnete sich, und der Mohn rieselte zu Boden.
    » Enid! « , schrie er wie von Sinnen und stürzte zu ihr. »N ein, bitte nicht! Oh, Herr! «
    Blutüberströmt und nackt war Enid am Fuß des Baumes in sich zusammengesackt. Ihr Bauch war aufgeschlitzt, der Blick ihrer Augen leer. William taumelte zu einem nahen Gebüsch und erbrach sich heftig würgend. Er rang nach Luft, glaubte zu ersticken und erbrach sich erneut.
    Ein lauter Schluchzer entfuhr ihm, als er die Geliebte von ihren Fesseln befreite und ihr geschundener Leib in seine Arme sank. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und küsste weinend ihre Stirn.
    »W arum bin ich nur fortgegangen? « , klagte er erstickt, drückte sie an sich und wiegte sie in seinen Armen. Erst nach einer ganzen Weile bettete er sie im Gras, richtete ihre zerzausten goldfarbenen Haare und bedeckte ihre Nacktheit mit dem zerschnittenen Kleid, das neben ihr gelegen hatte. Der Wind zupfte ein paar rote Blütenblätter von den Stängeln des Klatschmohns und wehte sie über die Lichtung. Einige davon blieben auf Enids Brust, andere auf ihren Haaren liegen.
    Das Kind fand er erst später, es lag, achtlos fortgeworfen, im Gras. William stöhnte auf. Die Glieder des winzigen, mageren Jungen sahen seltsam verrenkt aus.
    »M ein Sohn! « Er sank verzweifelt auf die Knie und brachte es nicht über sich, das Kind zu berühren. Weinend schlug er die Hände vor das Gesicht. Warum, Herr?, begehrte er auf, außer sich vor Kummer. Doch es kam kein Laut aus seiner Kehle. Warum?
    Erst nach einer Weile vernahm er ein leises Stöhnen. Suchend sah William sich um. »D avid? « Er sprang auf. Hoffentlich lebte David noch!
    Er fand den Jungen unter einem Busch. Davids Gesicht war übel zugerichtet, die Nase sah gebrochen aus, das Kinn und der rechte Wangenknochen waren schwarz unterlaufen. Aber er lebte.
    Warum hast du nicht sie leben gelassen, sondern ihn? , dachte William bitter und sah vorwurfsvoll zum Himmel, als könnte er dort oben einen Blick auf das Antlitz Gottes erhaschen und eine Antwort bekommen.
    David wimmerte vor Schmerzen.
    William setzte sich neben ihn und barg den Kopf des Verletzten in seinem Schoß. »S chon gut. « Er streichelte über Davids wirres Haar. »I ch bin bei dir! «
    Nach einer Weile stand er auf und half dem Jungen in die Hütte und auf sein Lager. Enids Bruder war alles, was ihm geblieben war. »R uh dich aus « , sagte er sanft und streichelte Davids Kopf, so wie Enid es immer getan hatte. Dem armen Jungen rannen noch Tränen über die Wangen, als er längst eingeschlafen war.
    William schleppte sich nach draußen. Seine Brust fühlte sich viel zu eng an; ihm war, als zerquetschte eine eisige Faust sein Herz. Wie sollte er nur den Mut und die Kraft finden, um Enid und das Kind zu begraben?
    William

Weitere Kostenlose Bücher