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Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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saß lange reglos da und starrte ins Leere. Er machte sich Vorwürfe, weil er nicht eher zu Enid und David nach Hause gekommen war. Wenn er sie schon nicht hatte beschützen können, war er ihnen wenigstens ein würdiges Begräbnis schuldig!
    Wie im Schlaf stand er auf und hob mit bleiernen Armen ein Grab aus, das groß genug war, um Enid und das Kind aufzunehmen. Es war die schwerste Aufgabe, die er je in seinem Leben hatte erfüllen müssen. Obwohl er all seine Wut in die Arbeit fließen ließ, fühlte sich William mit jedem Zoll, den das Grab tiefer wurde, dem eigenen Tod näher.
    Als das Loch groß genug war, konnte er vor Erschöpfung kaum noch aufrecht stehen. Taumelnden Schrittes ging er zu Enid, goss Wasser aus seinem Schlauch auf sein Hemd und wusch ihr Gesicht, bevor er ihr mit seinen Fingern liebevoll das Haar kämmte. Mit dem Leinenkleid, das von ihrem Blut durchtränkt war, verband er ihren Bauch, um die Wunde darin notdürftig abzudecken. Als er ihre Decke aus der Hütte holte, um sie darin einzuwickeln, fiel ein emailliertes Plättchen auf den Boden. William hob es auf und legte es achtlos auf den Tisch.
    Am Ende seiner Kräfte ging er hinaus, nahm Enid auf seine Arme, um sie zu ihrer letzten Ruhestätte zu tragen, und bettete sie in der dunklen Erde.
    Lange kniete er reglos neben ihr und sah sie mit tränennassem Gesicht an. Schließlich holte er auch das Kind und legte es mit zitternden Händen in Enids Arm. Dann brach er weinend neben den beiden zusammen. Sie sahen so friedlich aus, als schliefen sie nur. Er war nicht da gewesen, als sie ihn am nötigsten gebraucht hatten! Wie sollte er mit dieser Schuld weiterleben? Und wozu?
    William legte sich zu den beiden ins Grab, nahm Enid in seinen Arm und schloss die Augen. Die feuchte Erde fühlte sich kalt an. Kalt wie der Tod, dachte er. Und die Ewigkeit. Warum blieb er nicht einfach liegen, bis auch er starb? Er öffnete die Augen, starrte in das Bleigrau des Himmels und erinnerte sich an die Träume seiner Kindheit. Den Traum von seinem Vater, dem edlen Ritter, der hoch zu Ross kam, um ihn zu sich zu holen. Den Traum von der Falknerei und dem Ruhm seiner Greifvögel. Diese Träume waren weit fortgerückt und so unwichtig und unwirklich, als gehörten sie in ein anderes Leben. William schloss die Augen.
    »W ii « , klang es jämmerlich aus der Hütte.
    William schrak hoch. Wie lange mochte er wohl so dagelegen haben?
    »W iwii. « Diesmal klang es schriller. Sicher fürchtete David, allein gelassen zu werden. Er war nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Jetzt, da Enid nicht mehr war, würde William sich um ihn kümmern müssen. Schweren Herzens rappelte er sich auf, kletterte aus dem Grab und ging in die Hütte.
    David rieb sich den Bauch und sah ihn bettelnd an. »W ii. «
    William nickte gequält, gab ihm zu essen und zu trinken, doch er selbst nahm keinen Bissen zu sich.
    »E n? « , fragte David mit ängstlichem Blick.
    »S ie ist tot « , sagte William tonlos.
    »E n! « , rief David und brach in Tränen aus. Offenbar hatte er die schreckliche Wahrheit verstanden. Seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Vielleicht war der stumme Junge weniger einfältig, als er wirkte. Er versuchte aufzustehen, doch es gelang ihm nicht allein. Also half William ihm dabei und ging mit ihm hinaus. Eine halbe Ewigkeit standen sie nebeneinander an ihrem Grab und weinten.
    Bevor es dunkel wurde, musste William es schließen, damit sich keine wilden Tiere über die Toten hermachten. Er kletterte zu Enid hinunter und küsste sie ein letztes Mal auf die Stirn. Sie fühlte sich kalt und fremd an, so kalt und fremd wie die Wange seines kleinen Sohnes, die William mit zitternden Fingern streichelte.
    David stand am Rand des Grabes und hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Als William sich hinaushievte und begann, die ausgehobene Erde auf die geschundenen Körper zu häufen, schlug der Junge die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut.
    Zuerst verschwand das Kind unter der dunklen, klumpigen Erde, dann bedeckte sie auch Enids Leib und ihr Gesicht. Sie zu beerdigen, war ein Akt der Liebe und zugleich so unerträglich, dass er William in noch tiefere Verzweiflung stürzte.
    »S orge dich nicht, meine Liebste, ich kümmere mich um David « , versprach er so inbrünstig, als könnte er Enid damit trösten. Dann band er mit einem Rest des Stricks zwei Stöcke zu einem Kreuz zusammen und steckte es mit einem leise gesprochenen Gebet in die Erde ihrer

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