Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
dann den eigenen Durst, so weit das mit dem wenigen Wasser möglich war. Er leerte den Schlauch, obwohl das Wasser warm war und muffig schmeckte. Dann lauschte er kurz, in der verwegenen Hoffnung, das leise Gurgeln eines Baches in der Nähe zu vernehmen, doch das Einzige, das er hörte, war das scharrende Geräusch der vielen Füße, das Trappeln der Pferde und das Ächzen der Karren, die an ihm vorbeizogen. All das war so laut, dass es ein sanftes Bachplätschern auch dann übertönt hätte, wenn es da gewesen wäre.
Als erwachte er soeben aus einem tiefen Schlaf, sah William sich verwundert um. Woher kamen nur die vielen Menschen? Er war so sehr in seine quälenden Gedanken versunken gewesen, dass er auf seine Umgebung gar nicht geachtet hatte. Waren sie schon lange auf derselben Straße unterwegs wie David und er? Wohin gingen sie?
»H e, ihr da! Zur Seite! « , brüllte plötzlich jemand hinter ihm und pfiff gellend auf zwei Fingern.
William zuckte zusammen, packte Davids Hand und riss den Jungen beiseite. David wollte sich losreißen, doch William gelang es, ihn gerade noch zurückzuhalten, bevor ein mächtiger Ochsenkarren laut ächzend an ihnen vorbeirumpelte. Der Habicht erschrak vor dem ungewohnten Gepolter und versuchte zu fliehen. Da er jedoch von der Fessel gehalten wurde, die William ihm angelegt hatte, baumelte er nun kopfüber von Williams Faust und schlug hilflos mit den Flügeln. David stand, vor Schreck zitternd, neben William und drängte sich ängstlich an ihn.
William versuchte, gefasst zu bleiben. Er half zunächst dem Habicht in den Stand zurück und strich dann mit beruhigenden Worten abwechselnd David und dem Vogel über den Rücken.
Eine ganze Weile blieben sie so am Rand der Straße stehen. Viele Menschen zogen an ihnen vorüber, aber niemand beachtete sie. Du musst dich endlich zusammenreißen, ermahnte sich William, als ihn erneut Hoffnungslosigkeit überkommen wollte. David braucht dich und der Habicht ebenfalls! William atmete tief ein. Als Erstes würde er wohl entscheiden müssen, wohin sie denn nun gehen sollten, und dann musste er den Vogel jagen lassen.
Als ein altes Mütterchen mit runzligem Gesicht und gekrümmtem Rücken neben ihnen auftauchte und ihnen freundlich zunickte, fasste sich William ein Herz.
»V erzeiht, Gevatterin, wohin gehen all diese Menschen? «
»O h, sie ziehen nach London, Söhnchen, nach London. Geh nur auch dorthin und such dein Glück! Wer weiß, vielleicht wartet es da schon auf dich? « Als die zahnlose Alte ihn anlachte, blitzte Schalk in ihren Augen auf, dann zog sie erstaunlich schnell an ihnen vorüber.
London, was sollen wir in London?, dachte William verdrießlich und tippte David an. »K omm, wir sehen uns erst mal nach Wasser um, bevor wir weitergehen. «
Aber David rührte sich nicht. Ein fahrender Händler hatte neben ihnen haltgemacht, um seine Waren wieder festzuzurren, die sich auf dem holprigen Weg gelöst hatten. Gebannt betrachtete der Junge all die wundervollen bunten Dinge auf dem schwer beladenen Holzkarren.
»H ier draußen gibt es weit und breit keinen einzigen Tropfen « , mischte sich der Händler ein, der Williams Worte offenbar gehört hatte. »G laubt mir, ich mache den Weg nicht zum ersten Mal. « Er zog und zerrte schnaufend an den Seilen und lächelte William und David dann aufmunternd an. »A ber keine Sorge! Ein paar Meilen weiter gibt es einen Brunnen, an dem ihr Wasser schöpfen könnt. Allerdings werdet ihr sicher lange anstehen müssen. « Der Händler deutete auf die anderen Reisenden. »A m Brunnen werden die meisten von ihnen übernachten « , erklärte er freundlich. »I hr solltet euch besser sputen, als hier herumzustehen, sonst bekommt ihr keinen gescheiten Platz mehr. « Er hob die Hand zum Gruß, reihte sich in den Strom ein und zog an ihnen vorbei.
William seufzte und musterte die Bauern und Händler, die in Körben oder Säcken, auf Eseln und in Karren allerlei Waren mit sich führten. »A lso gut, dann gehen wir eben auch nach London. « Er packte David am Arm und zog ihn mit sich fort.
Handwerker, Pilger und einfache Geistliche waren ebenfalls zu Fuß unterwegs. Die betuchteren Reisenden, wohlhabende Kaufleute und Kirchenfürsten dagegen zogen auf Pferden an ihnen vorbei und beanspruchten den größten Teil der Straße für sich. Wer nicht von den Hufen ihrer Zelter zermalmt werden wollte, machte ihnen besser freiwillig Platz.
Als William und David endlich den Brunnen erreichten, hatte sich
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