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Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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letzten Ruhestätte.



Juli 1189
    W ie betäubt stolperte William die staubige Straße entlang. Er hatte Enid und das Kind beerdigt und sich um David gekümmert, hatte getan, was getan werden musste, und so versucht, den rasenden Schmerz zu vertreiben, der ihn von innen her verzehrte. David zu pflegen, war er Enid schuldig gewesen. Doch Wald und Hütte verband er zu sehr mit ihr, um dort ohne sie bleiben zu können. So sehr, dass er immer wieder geglaubt hatte, Enid käme im nächsten Moment hinter einem Busch hervor oder öffne ihm die Tür. Er hatte für David gejagt, ihm Mahlzeiten und Kräuteraufgüsse bereitet und seine Wunden versorgt, so wie auch Enid es getan hätte. Er selbst hatte in den vergangenen Tagen jedoch kaum Nahrung zu sich genommen und nur wenig geschlafen. Er hatte es nicht einmal fertiggebracht, auf Enids Lager zu liegen. Stattdessen hatte er am Tisch gesessen und in die Schwärze der Nacht gestarrt.
    Sobald es David ein wenig besser gegangen war, hatte William zum Aufbruch gedrängt und alles, was er noch zu brauchen glaubte, in ein Tuch aus Enids Eichentruhe geschnürt. Auch das emaillierte Plättchen war ihm dabei wieder in die Hände gefallen. Mit dem vagen Gefühl, irgendwann einmal froh zu sein, dieses letzte Erinnerungsstück an sie zu besitzen, hatte er es in seinen Geldbeutel gleiten lassen, ohne es näher zu betrachten. Jeder Gedanke an sie schmerzte noch zu sehr. Den Habicht, an dem er in jener Schicksalsnacht die Zukunft seiner Familie festgemacht hatte, hatte er zunächst freilassen wollen, es aber letztlich nicht übers Herz gebracht.
    Nun, da er die Hütte im Wald endgültig verlassen hatte, war William froh darum. Die Krallen des Greifs durch den dünnen Stoff zu spüren, den er in Ermangelung eines Falknerhandschuhs um seine Faust geschlungen hatte, war einfach zu tröstlich. Mit vor Gram gebeugtem Rücken schleppte er sich Meile für Meile voran. Ohne zu wissen, wohin sie gehen sollten, schwankte er weiter und verlor sich in Tagträumen, die ihn zwischen tiefer Trauer und zermürbenden Selbstvorwürfen hin- und herrissen.
    David trottete wortlos neben ihm her, jammerte nur laut, wenn er Hunger oder Durst verspürte, und machte sich dann mit ungestümen Gesten bemerkbar. Sein Gesicht war noch immer blaugrün verfärbt und hielt wie ein Mahnmal Williams Erinnerung an das schreckliche Geschehen wach.
    Zwei Tage war es her, dass sie den Wald in Richtung Süden verlassen hatten. Sie waren einfach drauflosgelaufen. »I mmer der Nase nach « , hätte Jean gesagt. Wehmütig entsann sich William der Menschen, die er vor Jahren in St. Edmundsbury zurückgelassen hatte. Er sah sie ganz deutlich vor sich, glaubte beinahe, ihre Stimmen hören zu können und den Geschmack von Roses köstlichen Fischpasteten auf der Zunge zu spüren. Er seufzte traurig. Wie gut täte es nun, sich von ihr verwöhnen zu lassen, bei Tisch mit den anderen zu lachen und nach dem Essen einen Spaziergang mit Isaac zu unternehmen und in stillem Einverständnis gemeinsam mit ihm zu schweigen.
    William dachte kurz darüber nach, ins Haus seiner Mutter zurückzukehren. Doch dann entsann er sich ihrer ständigen Nörgeleien, weil er dem Schmieden nichts abgewinnen konnte, und straffte die Schultern. Er war Falkner und würde nie mehr als Handlanger in ihrer Werkstatt arbeiten. Niemals! Er wusste genug über Falken, um auch anderswo wieder Arbeit zu finden. Er war kein Versager und weigerte sich, zu Hause, bei seiner Mutter, als ein solcher dazustehen. Für einen kurzen Augenblick war William entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, doch mit jedem Schritt, den er seinen Weg weiter fortsetzte, kehrten Kummer, Müdigkeit und Verzweiflung zurück.
    Die Luft flirrte vor Hitze. William rang nach Atem und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Boden war staubig und ausgetrocknet, das ohnehin spärliche Gras am Wegesrand verdorrt. William blickte sich besorgt zu David um, der einen halben Schritt hinter ihm herschlurfte. Haare und Brauen des riesigen Kindes waren so sehr mit Staub bedeckt, dass es aussah wie ein alter Mann mit ergrautem Haar. Vermutlich gebe ich ein ebenso bedauernswertes Bild ab, schoss es William durch den Kopf, und er blieb schlagartig stehen. Zu einem klaren Gedanken jedoch war er nicht fähig. Die sengende Sonne brannte auf seinem Kopf, und seine Zunge klebte vor Durst am Gaumen.
    Benommen von der Hitze, nahm er den Wasserschlauch von seinem Gürtel, gab zuerst David zu trinken und stillte

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