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Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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überschaubare Zeit, für David jedoch würde es eine Ewigkeit bedeuten. Wie viele seiner erklärenden Worte würde David überhaupt verstehen? William holte ihn aus der Menge der Betenden und ging mit ihm in eine ruhigere Ecke. In knappen Worten und mithilfe seiner Hände erklärte er ihm, dass er für eine Weile bei den Mönchen bleiben müsse.
    David blickte ihn ungläubig an. Dann traten Tränen in seine Augen. Sie liefen ihm die Wangen hinunter und hinterließen dort eine schmutzig graue Spur.
    William versuchte vergeblich, den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Er fühlte sich schrecklich, schlang die Arme um David und hielt ihn lange fest. Der Junge wollte ihn nicht gehen lassen, aber schließlich machte er sich doch schweren Herzens von ihm los.
    »I ch komme wieder, versprochen « , sagte er mit rauer Stimme. Ich höre mich an wie ein Lügner!, durchfuhr es ihn. Seit dem Streit mit Enid und dem, was danach geschehen war, quälte ihn das schlechte Gewissen ohne Unterlass.
    Der Mönch, der inzwischen ohne den Habicht zurückgekehrt war, legte David milde lächelnd die Hand auf den Rücken und schob ihn sanft zu der hölzernen Tür im Seitenschiff, durch die er zuvor bereits mit dem Vogel entschwunden war. David folgte ihm, blickte sich aber immer wieder nach seinem einzigen Freund um. William sah den beiden mit schwerem Herzen nach. Er stand lange wie angewachsen am selben Fleck. Nun war er also ganz allein. Niemand forderte oder erwartete mehr etwas von ihm. William horchte in sich hinein. War es Erleichterung, die er verspürte? Nein. Obwohl David eine Last gewesen war und ihn ständig an Enid und das Kind erinnert hatte, fühlte er sich nicht etwa befreit, sondern einfach leer, wie ausgebrannt.
    Wie betäubt stolperte er aus der Kirche. Das Sonnenlicht blendete ihn heftig, und William wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Bis es dunkel wurde, irrte er durch die Straßen der fremden Stadt, in Gedanken ständig bei David. Ob sich die Mönche anständig um ihn kümmern würden? William fühlte sich wie ein Verräter.
    Seine erste Nacht allein in London verbrachte er, halb sitzend, halb liegend, auf dem Boden einer kleinen Gasse. Immer wieder fuhr er aus wirren Träumen auf. Seine Beine begannen zu kribbeln. Je länger er so dasaß, desto tauber wurden sie. Am Morgen fühlte er sich keineswegs erfrischt, sondern so zerschlagen wie nach einem Tag harter Arbeit.
    Mit leerem Magen schlurfte er zum Fluss hinunter. Die Themse war breit und schmutzig vom aufgewühlten Schlamm. Sie stank nach Fäulnis, Kot und toten Fischen.
    William hatte ein paar Männer darüber sprechen hören, dass am Hafen immer kräftige Hände gebraucht würden. Als er jedoch zu den Docks kam und den Hafenmeister nach Arbeit fragte, schüttelte der nur den Kopf.
    »M ager, du bist viel zu mager « , schimpfte er. » B richst mir ja zusammen, bei dem Gewicht, das hier geschleppt werden muss. Nein, nein, so ein dürrer Hering wie du bringt einem nichts als Ärger ein. Mach, dass du weiterkommst. « Mit einer wedelnden Handbewegung scheuchte er ihn davon. »U nd gebettelt wird hier auch nicht! « , rief er ihm noch nach, als William ein Stück weiter stehen blieb, um eine Frau mit zwei gut gefüllten Körben zu fragen, ob sie nicht einen Träger für ihre Einkäufe benötigte.
    Es war unmöglich, mit knurrendem Magen und vor Erschöpfung zitternden Händen Arbeit zu finden. Überall wimmelte es nur so vor kräftigen jungen Männern, die ihre Dienste anboten. Einen wie ihn, der wegen des krummen Fußes ein wenig schwankend ging, als habe er zu viel getrunken, brauchte da niemand. Hungrig, müde und verzweifelt, gab William die Suche schließlich auf.
    Gramgebeugt und völlig entmutigt schlurfte er zurück zur Kirche St. Paul’s und streckte zum ersten Mal in seinem Leben zutiefst beschämt die Hand aus, in der Hoffnung auf die milde Gabe eines gläubigen Menschen.
    Von den anderen Bettlern ließ er sich nicht vertreiben. Scheinbar gleichmütig nahm er zuerst ihre Schläge und Tritte hin, ohne sich zu wehren. Er sah sie als verdiente Strafe und Möglichkeit zur Buße an und klagte nicht. In seinen Augen hatte er alle Erniedrigung der Welt verdient und nichts mehr zu verlieren.
    Eines Tages jedoch, als man ihn wieder einmal die Treppe hinunterstieß, wehrte er sich voller Zorn und kämpfte um seinen Platz. Von jenem Tag an gehörte er zu den Bettlern, die rund um St. Paul’s herumlungerten, und bettelte fortan auf einer ganz

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