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Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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erinnerte? William war kein Kind mehr. Seit ihrer letzten Begegnung war er gewachsen. Und seit Enids Tod hatte er gar einen Bart, der allerdings, seinem Alter entsprechend, noch nicht dicht genug war, um kleidsam zu sein. Sir Baudouin hatte ihn in der Falknerei untergebracht und wähnte ihn dort in sicherer Obhut. Wie sollte er also darauf kommen, dass William sich nun in London aufhielt?
    Als Baudouin de Béthune seinem Pferd die Sporen gab, um aufzuholen, und sich unversehens an den Maréchal wandte, bebte William vor banger Erwartung. Sicher hatte er ihn doch erkannt und berichtete nun dem Bräutigam von seiner Entdeckung.
    Nach einer kurzen Unterredung spähte Sir Baudouin wieder geradeaus und nahm keine Notiz mehr von William.
    Die Erkenntnis, dass Baudouin de Béthune offensichtlich nicht mit dem Maréchal über ihn gesprochen hatte, traf William bis ins Innerste. Er musste zu dem Schluss gekommen sein, dass der heruntergekommene Bettler nichts weiter war als ein verwahrloster Fremder. William strauchelte. Sein Kopf schien mit einem Mal leer und hohl wie ein ausgetrunkenes Bierfass. Kalter, klebriger Schweiß bedeckte seinen ausgezehrten Körper. Wie hatte er sich seit Enids Tod nur so gehen lassen können? Zum ersten Mal schämte sich William abgrundtief dafür. Blut und Hitze schossen ihm in den Kopf. Blitzartig wandte er sich ab, kämpfte sich durch die Menge, die das Brautpaar mit immer lauter werdendem Jubel begrüßte, und humpelte davon. Auch seinen krummen Fuß hatte er in der letzten Zeit sträflich vernachlässigt; er war offen und eiterte schon seit Tagen. Schuhe besaß William schon lange nicht mehr.
    Einen letzten Blick über die Schulter warf er noch zurück. Die junge Braut war abgestiegen und reichte dem Maréchal die Hand, um sich von ihm zur Kirche geleiten zu lassen. Sie sah glücklich aus. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich heiratete sie den tapfersten, berühmtesten Ritter Englands, den Liebling der Könige!
    Kostbar gekleidete Damen und Herren, Adelige und reiche Bürger warteten auf die Brautleute, die sich das Eheversprechen vor der Kirchentür geben würden, um anschließend gemeinsam mit ihnen das Gotteshaus zu betreten und dort die heilige Messe zu hören.
    William wandte sich nun endgültig ab. Solange er denken konnte, war der Maréchal das Vorbild für seinen Wunschvater gewesen. William gönnte ihm die schöne junge Braut von Herzen und hätte alles dafür gegeben, statt als bettelnder Zaungast mit einem stattlichen Falken auf der Faust in dem Brautzug mitzureiten – als Sir Baudouins Falkner oder sogar als der des Maréchal.
    Mit hängendem Kopf trottete William davon. Er gehörte nun einmal nicht in die Welt der Adeligen. Das hatte er doch schon in Thorne geahnt. Wie hatte er nur jemals dem Irrglauben verfallen können, er könne irgendwann dazugehören? Nur weil er sich darauf verstand, mit Falken umzugehen?
    Als die Wirkung des Bieres vollends nachließ und er nüchtern wurde, begann Williams vernachlässigter Körper mehr und mehr zu schmerzen, aber schlimmer noch peinigte ihn das Gefühl der Schuld, die er noch immer empfand. Schwermütig hinkte er durch die Gassen von London, bis es zu dämmern begann. Erst als er vor der Schenke stand, die er in den vergangenen Wochen viel zu häufig aufgesucht hatte, kam er halbwegs zu sich. Er stieß die Tür auf und wollte schon die Schwelle überschreiten, als ihm der widerwärtige Geruch von schalem Bier entgegenschlug und seinen leeren Magen zu heben drohte.
    »N ein « , murmelte er. »N ie wieder werde ich einen Fuß in dieses Haus setzen. « Rückwärts wich er aus der Taverne und wäre um ein Haar über ein Schwein gestürzt, das hinter ihm im Dreck wühlte.
    Wie von Sinnen begann William zu laufen. Sein Fuß schmerzte und sein Magen rebellierte. Schluss, hämmerte es in seinem Kopf, damit muss Schluss sein! Ich muss mein Leben ordnen und ihm wieder einen Sinn geben.
    Obwohl es an die hundert Kirchen in London gab, trugen ihn seine Füße wie von selbst in dasselbe kleine Gotteshaus, in dem er kurz nach seiner Ankunft in der Stadt die Beichte abgelegt hatte. Demütig warf er sich auf den festgetretenen Lehmboden, breitete die Arme aus, wie der Gekreuzigte, presste die Stirn in den Staub und betete inniglich. Er hatte so vieles wiedergutzumachen! Vor allem an dem armen David, den er so sträflich vernachlässigt hatte. Die drei Wochen, die William ihn nicht hatte besuchen sollen, waren längst verstrichen, aber er war

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