Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
Ehe in St. Paul’s zu schließen. William schwindelte von der Hitze, er schwankte und schloss einen Moment die Augen, um nicht zusammenzubrechen. Seine Zunge fühlte sich pelzig an, der Geschmack in seinem Mund war widerlich bitter.
Überall standen Neugierige. Sie tuschelten und tratschten, gaben ihre Meinung zum Besten und bewunderten oder verurteilten missgünstig den aufwendigen Hochzeitszug, der von einer ganzen Schar mit Schwertern und Lanzen bewaffneter Ritter in bunten Waffenröcken angeführt wurde. Viele große Barone waren darunter. Einige von ihnen hatte William schon früher gesehen, andere erkannte er an ihren Farben. Dann kam die Braut, die von vierzehn Jungfern begleitet wurde. Zwei ritten vor ihr, vier neben ihr und acht weitere in Vierergruppen hinter ihr. In die Mähnen ihrer milchfarbenen Zelter waren bunte Bänder geknüpft. Das Pferd der Braut war ebenfalls weiß. Seine Mähne war mit goldenen Bändern und der Rücken mit einer atemberaubenden, über und über mit Gold bestickten Decke geschmückt, die ein Vermögen gekostet haben musste.
William schnaubte. Auch er hatte einmal davon geträumt, reich und berühmt zu werden, doch dieses Ziel schien in unerreichbare Ferne gerückt zu sein. Der Mann, der diese Frau zur Gemahlin bekam, musste zu jenen gehören, denen das Glück in die Wiege gelegt worden war.
Aufrecht wie eine Königin, mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen und einem Strahlen, das aus ihrem tiefsten Inneren zu kommen schien, saß die junge Braut im Sattel. Ihr zierliches Gesicht mit der hellen, fast durchsichtigen Haut und der schmalen Nase strahlte Ruhe und Erhabenheit aus, ohne dabei hochmütig zu wirken. Das kostbare, aufwendig mit Perlen bestickte Brautkleid aus feinster purpurfarbener Seide ließ ihre hohe adelige Abstammung auf den ersten Blick erkennen.
»P urpur « , so hatte Rose einmal bewundernd erzählt, »i st die teuerste Farbe der Welt. « Es gab sie in verschiedenen Abstufungen von Dunkelviolett über Veilchenfarben bis zu einem kräftigen Rosa. Bei dem Gewand der grazilen Braut überwogen die lebensfrohen, leuchtenden Töne des Purpurs, die den Betrachtern entzückte Ausrufe der Bewunderung entlockten.
Die Kaufmannstochter, die noch immer in Williams Nähe stand, stieß ihre Mutter immer wieder an. »S ieh nur, Mutter, welch herrlich lange Ärmel das Kleid hat! Und der Stoff, wie er glänzt! Was für eine Pracht! Und diese Farben! Ich würde alles darum geben, ein solches Kleid zu besitzen! «
» U nsinn. Du wirst auch ohne Purpurkleid einmal eine schöne Braut, dafür sorge ich schon … Oh! Da, sieh nur, der Bräutigam! « Die Kaufmannsgattin zeigte aufgeregt auf den hinteren Teil des Brautzuges. »I st er nicht stattlich anzusehen? « Sie neigte sich zu ihrer Tochter vor. »E r logiert bei Richard FitzReiner. « Sie zog die Augenbrauen hoch und fügte hinzu: »D ein Vater hat ihn erst kürzlich beliefert. Ein feiner Mann, dieser FitzReiner, und ein wahrhaft großer Auftrag. Sicher für die Hochzeitsfeierlichkeiten bestimmt « , erklärte sie wichtigtuerisch.
William war ihrem Finger mit dem Blick gefolgt und entdeckte den Bräutigam nun ebenfalls. Der Atem stockte ihm. Um sicherzugehen, dass er sich nicht täuschte, rieb er sich über die Augen und sah noch einmal hin. Kein Zweifel, es war der Maréchal! Stolz und strahlend saß er auf einem herrlichen Rappen, der aufgeregt tänzelte. Guillaume le Maréchal sah genauso aus, wie William ihn früher in seinen Tagträumen gesehen hatte. Mit offenem Mund starrte er ihn an, doch der Maréchal blickte zur anderen Seite und nickte in die jubelnde Menge. William atmete tief ein. Die Morgenluft war bereits schwül. Es versprach einer dieser unerbittlich heißen Sommertage zu werden. Er schwankte. Zu viel Bier, dachte er angewidert und musste aufstoßen. Wie gebannt fixierte William den Maréchal, als könnte er den Bräutigam allein mit seinem Blick dazu bewegen, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Doch der Mann auf dem herrlichen, schwarzen Pferd blieb auch weiterhin abgewandt.
Auf einmal machte Williams Herz einen Satz. Baudouin de Béthune, der dicht hinter dem Maréchal ritt, sah ihm geradewegs in die Augen! Etwas Fragendes lag in seinem Blick, ganz so, als sinne er darüber nach, woher er den zerlumpten Bettler am Wegesrand wohl kennen mochte. Einen Augenblick lang hoffte William, Sir Baudouin möge ihn erkennen. Seine Hand zuckte, bereit, zu einem Winken hochzuschnellen. Ob er sich an ihn
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