Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
nachgebend, hatte er in seiner schwungvollen Handschrift einfach alles auf ein Blatt Papier geschrieben. Zum wiederholten Male betonte er, wie viele Leute Ed Edmundson beim Geheimdienst und in der Army kenne. Fredrikas entfernter Verwandter werde jemanden finden, um das eingetrocknete Blut gründlich untersuchen zu lassen und, was noch viel wichtiger sei, auch die Hersteller des Trojaner-Bakteriums ausfindig zu machen, selbst wenn es sich um geheime Gentechniklabors handele.
    Als Yeremi und ihr Schützling nach dem Frühstück die Garage betraten, sah er sie traurig an. Sie konnte in Sarafs klaren Augen lesen, wie ungern er sie in Gefahr brachte, aber ihre Reaktion war eindeutig. Wortlos stieg sie in den riesigen Mercedes.
    Missmutig folgte er ihr. Beide kauerten sich, sie links, er rechts, auf den Boden zwischen die beiden hinteren Sitzbänke und zogen eine blau-schwarz karierte Wolldecke über sich. Carl saß bereits hinter dem Steuer und mahnte sie, die Köpfe so tief wie möglich zu halten. Das Gepäck hatte er schon im Kofferraum verstaut. Die Operation »Nestflüchter« konnte beginnen.
    Molly drehte den Schalter für die elektrische Toröffnung der Garage. Sie folgte der langsam rückwärts rollenden Limousine ins Freie und winkte ihrem Schwiegervater mit einem Spitzentaschentuch nach. Die Komplizen des Anglers sollten eine rührende Abschiedsszene zu sehen bekommen. Sie würden noch da draußen zwischen den Büschen hocken und die Ferngläser auf das Anwesen richten, wenn ihre Beute längst über alle Berge war. Das hoffte Yeremi.
    Unter einem grauen Himmel bog der Mercedes 600 in nördlicher Richtung auf den 17 Mile Drive ein. Die Körperwärme von Sarafs Bein schien Yeremis Oberschenkel wie Sonnenlicht aufzuheizen. Oder schwitzte sie nur wegen der Wolldecke so? Ihre Stimme drang dumpf, aber hörbar ungeduldig zum Fahrer nach vorn.
    »Die Luft ist ziemlich stickig hier unten. Wann können wir endlich unter der Decke vorkommen?«
    »Legt euch ganz flach auf den Boden!«, knurrte Carl. Es klang, als brächte er nicht die Zähne auseinander.
    »Was ist los?«
    »Wir werden verfolgt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ein Motorrad: korpulenter Gartenzwerg am Lenker, hinter ihm ragt ein zweiter Helm auf. Ich fahre nur zwanzig Meilen die Stunde, aber der Feuerstuhl denkt gar nicht daran zu überholen.«
    Yeremi vergewisserte sich noch einmal, ob nicht irgendwo ein Fuß oder andere Körperteile unter der Decke hervorschauten. »Wenn sie durch die Fenster hineinsehen, werden sie trotzdem Verdacht schöpfen«, jammerte sie.
    »Dazu müssten sie sehr dicht an den Benz heranfahren, und das ginge nicht, ohne aufzufallen.«
    »Vielleicht wollen sie das ja gerade. Beim Angler kam es mir jedenfalls so vor.«
    »Gleich werden wir es wissen.«
    »Wieso…?«
    »Still jetzt! Die Maschine kommt näher.«
    Bald hörte auch Yeremi das sonore Dröhnen des Motorrades. Es war der typische Klang einer Harley Davidson. Saraf bewegte sich unruhig unter der Decke. Yeremi umfasste sein Bein oberhalb des Knies und drückte es an ihr eigenes. Sofort erstarrte der Silbermann.
    Sie hörte das blubbernde Auspuffgeräusch anschwellen, bis sich die Lautstärke nicht mehr veränderte. Fast spürte sie die Blicke, die vom Motorrad durch das Fenster drangen. Wie dicht würde sich der Fahrer heranwagen? Konnte er oder sein Begleiter die verdächtig gewölbte Decke auf dem Boden des Fonds sehen? Unvermittelt brüllte der großvolumige Motor der Harley auf und wurde dann schnell leiser.
    »Bleibt sicherheitshalber noch eine Weile unten«, raunte Carl nach hinten.
    »Haben sie uns entdeckt?«, fragte Yeremi unter der Decke hervor.
    »Das glaube ich nicht. Die Maschine hat Abstand gehalten.«
    »Hoffentlich irrst du dich nicht!«
    »Vertraue deinem Großvater. Dann wird alles gut«, meldete sich Saraf überraschend zu Wort. Erst jetzt bemerkte Yeremi, dass sie immer noch sein Bein festhielt. Erschrocken zog sie die Hand zurück.
    Kurz vor Morgan Hill spielte Yeremis Handy wieder einmal Memory aus Andrew Lloyd Webbers Katzenmusical. Sandra Schroeder meldete sich und drängte auf ein Gespräch in der Schwarzen Kammer. Maulend lenkte Carl seinen »Stretch-Mercedes« in eine Haltebucht am Straßenrand. Yeremi sprang heraus, holte ihren Computer aus dem Kofferraum und initiierte über ihr Mobiltelefon die gesicherte Verbindung.
    »Was gibt’s denn so Dringendes?«, sprach sie ins Mikrofon.
    »Kannst du heute Nachmittag um sechzehn Uhr auf der Trabrennbahn sein?«

Weitere Kostenlose Bücher