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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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medienwirksamen Auftritt.
    Unvermittelt trat Jackie ins Bild. »Leo, es gibt da ein Problem.«
    Ryan entschuldigte sich bei der Nachrichtenmeute. »Ich gebe gerade eine Pressekonferenz, Jackie…«
    »Es geht um Lanton«, drängte sich Dale Sturges hinter der Assistentin hervor. »Er beabsichtigt nicht wirklich, in die Vereinigten Staaten zu fliegen, Mr Ryan. Sehen Sie sich ihn doch nur an. Er ist hypernervös und leichenblass – vielleicht hat er Drogen genommen. Der Mann ist gefährlich!«
    »Er besteht darauf, mit Ihnen in der kleinen Maschine zu fliegen. Angeblich hätten Sie ihm das zugesichert«, fügte Jackie hinzu.
    Lanton stand in seinem weiten Poncho nur wenige Meter entfernt und blickte wie ein gehetztes Tier zu ihnen herüber. Ryan winkte ihn heran und erkundigte sich erneut nach seinen Motiven. Lanton wiederholte die Geschichte, mit der er sich schon in Jonestown vorgestellt hatte, und empfahl sich erneut als »beste Informationsquelle über die Jonestown-Gruppe«.
    Ryan wandte sich wieder seiner Assistentin zu. »Haben Sie ihn nach Waffen durchsucht, Jackie?«
    Sie nickte. »Er ist von Jim Cobb gefilzt worden. Die beiden scheinen sich nicht besonders zu mögen.«
    »Dann wird Mr Cobb gründlich gewesen sein. Lassen Sie Lanton in der einmotorigen Maschine mitfliegen. Und außerdem…« Ryan nahm seiner Assistentin die Namensliste mit dem Bleistift aus der Hand und markierte darin eilig fünf weitere Namen. Er gab ihr das Klemmbrett zurück und sagte dabei: »Lassen Sie die Leute ruhig schon einsteigen; und geben Sie dem Piloten Bescheid, wir kämen gleich nach.«
    »Geht klar, Leo.« Jackie verschwand mit Sturges und Lanton aus dem Bereich der Kameras.
    Ryan brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Aus den Augenwinkeln sah er Lanton zu einigen Zuschauern hinübergehen, die sich am Rande des Rollfeldes eingefunden hatten, Erwachsene und Kinder aus Port Kaituma und wohl auch einige Angehörige des Volkstempels, die zu Fuß hergekommen sein mussten. Als Ryan genauer hinschaute, entdeckte er das Gesicht des Jonestown-Sicherheitschefs. Joe Wilson nahm Lantons Hände und schüttelte sie heftig wie zum Abschied. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Ryan in Lantons Rechten etwas aufblitzen zu sehen, aber dann war dieser flüchtige Eindruck auch schon wieder vorbei: Nein, da gab es kein Messer und auch sonst nichts, was zwischen den beiden den Besitzer gewechselt hatte…
    Wilson tauchte in der Menge unter, und Ryan widmete sich erneut den ungeduldigen Fragen der Journalisten.
    Während das Interview seinen Fortgang nahm, hielt ein Lastwagen der guyanischen Polizei auf der rechten Seite der Otter. Ryan sah einen Polizisten aussteigen. Der Uniformierte stellte sich neben das Flugzeug. In seinem Arm lag eine Schrotflinte. Die Menschen, die auf ihre Abreise warteten, quittierten diesen augenscheinlichen Sicherheitsgewinn mit Applaus. Auch Ryan atmete auf, denn die wachsende Anspannung unter den abtrünnigen Kirchenmitgliedern war auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Erleichtert beantwortete er die nächste Frage.
    Die gelöste Stimmung hielt nicht lange an. In der näheren Umgebung entstand bald neue Unruhe, eine hektische Aufgeregtheit, die auch die Medienmeute erfasste. Eine ungeduldige Stimme drängte die Einsteigenden zur Eile. Ryan kämpfte tapfer gegen die Störungen an, obwohl seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Noch kamen Fragen, die es zu parieren galt, eine und dann noch eine und eine weitere…
    Bis plötzlich Ken Frielander vom San Francisco Examiner etwas sagte, das völlig aus dem Rahmen fiel.
    »Ich glaube, hier bricht gleich die Hölle los.«
    Erst jetzt bemerkte Ryan den roten Traktor. Nein, es waren zwei Fahrzeuge, die sich ihnen vom Ende der Rollbahn her näherten. Verdeckt von der Zugmaschine mit dem stählernen Tiefladeanhänger, fuhr auch der gelbe Lastwagen heran, der ihnen auf der Fahrt nach Port Kaituma als Taxi gedient hatte. Der semmelblonde Haarschopf des Traktorfahrers leuchtete aus der Ferne – vermutlich war es wieder Stanley Gieg.
    Unter den Menschen, die sich vor der großen Maschine zur Durchsuchung nach Waffen und zum Einsteigen in einer Schlange aufgestellt hatten, entstand ein nervöses Gedränge. Überreizte Stimmen verschafften sich Luft. »Beeilt euch! Da braut sich was zusammen.« Angstvolles Geschiebe und fahrige Gesten machten jede Disziplin vergessen. Jemand von den Aussteigern lief zum kleinen Flugzeug, um die Kontrolle der Passagiere dort zu

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