Der silberne Sinn
Leibwächter zuwendend, befahl er: »Sie gehen vor, ich klebe an Ihnen. Wir machen’s wie beim Tango. Sie können doch Tango tanzen, oder?«
Madalin schüttelte den Kopf.
Flatstone verdrehte die Augen und deutete ungeduldig auf die Rampe. Geschmeidig schwang sich der Rumäne auf das hüfthohe Hindernis und reichte seinem Boss die Hand. Obwohl Flatstone alles andere als steif war, nahm er die Hilfe dankend an.
Nun begann fürwahr ein sonderbarer Tanz. Die letzte Sicherung vor dem Ziel glich der eines Tresors, nur wurde hier die richtige Kombination damit belohnt, dass sich nichts öffnete. Saraf tastete sich mit großen Schritten von Kreis zu Kreis und bedeutete den beiden »Tangotänzern«, welche Ringe sie als Nächstes zu betreten hatten. Der Weg führte keineswegs schnurgerade über die Ebene, ganz im Gegenteil. Zweimal umrundeten sich die beiden Parteien sogar, bevor sie weiter dem anderen Ende der Fläche entgegenstreben durften. Saraf hatte sie, ignorierte man einfach alle Schleifen und Umwege, diagonal überquert. Er stand direkt am rechten Ursprung der schiefen Ebene. Über deren gesamte Breite zog sich hier ein dunkler Schlitz. Schwerfällig – die verletzte Seite bereitete ihm zunehmend Schmerzen – schwang sich der Silbermann auf den Tunnelboden hinunter. Madalin und Flatstone balancierten direkt am Rande des Abgrundes.
»Der Absatz ist bei Ihnen nur eine Elle hoch. Springen Sie einfach«, forderte Saraf das Duo auf.
Beide Männer gingen zugleich in die Knie und stießen sich ab. Während Madalin jedoch vorbildlich nach vorne schnellte, musste er seinen Tanzpartner irgendwie nach hinten gestoßen haben. Jedenfalls ruderte Flatstone wild mit den Armen in der Luft herum und drohte nach hinten zu kippen.
»Ziehen Sie ihn runter!«, rief Saraf dem Rumänen zu.
Zu spät. Aus Angst, in die Tiefe zu stürzen, machte Flatstone einen Ausfallschritt. Augenblicklich gab der Boden unter seinem Fuß nach. Von rechts hörte er gleich darauf ein bedrohliches Rumoren. Entsetzt blickte er zu dem Schlitz am oberen Ende der schiefen Ebene. Nur einen Herzschlag später schoss ein schwarzer Schwall aus der schmalen Öffnung und ergoss sich auf die Schräge. Ehe Madalin ihn erreicht hatte, umspülte die zähe Flüssigkeit schon Flatstones Schuhe. Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase: Er stand mitten in einem stinkenden, schmierigen Bach aus Erdöl.
»Bewegen Sie sich nicht!«, sagte Madalin mit eiskalter Ruhe.
Flatstone war klar, was der Rumäne meinte. Im Augenblick kroch das Öl nur langsam unter seine Sohlen, aber wenn er nur kurz einen Fuß anhob, würde er keinen festen Halt mehr finden und unweigerlich die Rampe hinabrutschen. Saraf beobachtete die Szene, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Was soll ich tun?«, fragte Flatstone mit zitternder Stimme.
Madalin verstaute seine Pistole im Holster und streckte seinem Boss den Arm entgegen. »Beugen Sie den Oberkörper vor, und nehmen Sie meine Hand.«
Flatstones Füße gerieten ins Rutschen. »Nun tun Sie doch etwas!«, schrie er entsetzt.
»Die Hand!«, wiederholte Madalin.
Der Stheno-Chef bewegte sich immer schneller auf die Kante zu, aber er war lange genug im Kampfeinsatz tätig gewesen, um nicht völlig die Nerven zu verlieren. Sein Arm schnellte vor und ergriff Madalins Handgelenk. Auch der Leibwächter packte mit aller Kraft zu.
»Wenn Sie mich fallen lassen, sind Sie gekündigt«, knurrte Flatstone.
Der Rumäne konzentrierte sich ganz auf die Rettungsaktion. Er angelte sich auch Flatstones Linke und riss ihn dann mit einem heftigen Ruck von der Rampe. Der Stheno-Chef kam sogar mit den Füßen auf, rutschte jedoch aus. Einige Augenblicke lang krönten die beiden ihren bizarren Tango mit einem merkwürdigen Ziehen und Schieben, bis sie endlich – Flatstone bis zum Umfallen nach hinten geneigt und nur von dem über ihn gebeugten Madalin gehalten – zur Ruhe kamen.
Saraf betrachtete die Schlussfigur mit ausdruckslosem Gesicht.
Flatstone kämpfte sich aus Madalins Umklammerung frei. Wie ein Rhinozeros stampfte er auf den Silbermann zu, wäre dabei zweimal fast ausgerutscht und wetterte: »Das war Absicht!« Er kochte vor Wut.
»Sie haben Recht«, antwortete Saraf gelassen. »Die Erbauer dieses Horts wollten ihren Schatz vor Räubern schützen.«
»Wollen Sie mir allen Ernstes weismachen, die Inka oder Ihre Vorfahren hätten bei jeder Inventur diesen Zirkus hier aufgeführt?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, besitze ich nur einen Teil vom
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