Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
die Mistelbeere ab und legte beides neben das Windskraut auf den Beckenrand.
»Feuer, Erde, Luft. Jetzt fehlt nur noch die letzte Komponente für Wasser«, erklärte der kleine Magister und sah den Prinzen erwartungsvoll an.
Nikk trat mit feierlichem Gesichtsausdruck an den Brunnenrand und legte die Schuppe dazu. Der Däumling schwebte neben ihn. Mit einem magischen Windstoß versenkte er das Windskraut im Becken und schlagartig erstrahlte die sprudelnde Wasserfontäne in himmelblauem Licht. Hansen und die Ratsfrau stießen einen Laut der Begeisterung aus.
»Gewährt Ihr mir die Ehre?«, fragte Nikk.
»Ja, bitte«, erwiderte Eulertin und nickte ihm aufmunternd zu.
Nikk schob die Phönixfeder ins Wasser und die Fontäne färbte sich sogleich rot wie die untergehende Sonne. Es folgte die Beere und der Wasserstrahl leuchtete braun. Als Letztes ließ Nikk seine Schuppe ins Wasser gleiten. Die Fontäne glitzerte jetzt in verschiedenen Farben und das Wasser im Becken nahm einen silbrigen Schimmer an.
»Bei allen Gezeiten, es funktioniert!«, stieß Nikk ergriffen hervor. Er wollte sich bereits über das Becken beugen, als rechts und links des Brunnens die Türen aufflogen und acht Gardisten mit Hellebarden in die Empfangshalle drängten.
»Hab ich euch erwischt!«, donnerte eine triumphierende Stimme durch die Halle. Oben auf der breiten Treppe erschien ein hagerer Mann mit strähnigem Haar, das er sich eitel über die Halbglatze gekämmt hatte. Die Kette mit der goldenen Medaille, die er über der Ratsherrentracht trug, ließ keinen Zweifel daran, dass sie Schinnerkroog, dem Ersten Ratsherrn der Stadt, gegenüberstanden.
Wie war ihnen der Kerl bloß auf die Schliche gekommen?
Schinnerkroogs hängende Mundwinkel verzogen sich zu einem hochmütigen Lächeln und er richtete den Blick auf den Däumling. »Ich hatte Euch doch verboten, in dieser Stadt Magie zu wirken, Eulertin!«, keifte er. »Und Ihr besitzt die Frechheit, Euch ausgerechnet hier im Rathaus meiner Anordnung zu widersetzen?« Er musterte die bunt schimmernde Fontäne des Brunnens. »Wollt Ihr mich verhöhnen?«
»Hochverehrter Erster Ratsherr«, begann Magister Eulertin. Doch Schinnerkroog schnitt ihm brüsk das Wort ab. »Es ist mir egal, was Ihr zu Eurer Verteidigung vorbringen wollt«, schrie er. »Für Euer Vergehen lasse ich Euch verhaften. Euch und das ganze Gesindel in Eurer Begleitung. Männer, legt sie in Eisen!«
Bevor Fi und Nikk eingreifen konnten, wurden sie von den Gardisten gepackt und vom Brunnen fortgezerrt. Hansen, Asmus und der Ratsfrau erging es nicht anders. Der Stadtkämmerer versuchte sich wütend zu wehren, doch gegen die Gardisten kam er nicht an. »Ratsherr Schinnerkroog!«, rief er empört. »Ihr vergreift Euch an …«
»Haltet den Mund, Hansen! Mit Euch befasse ich mich später!«, schimpfte Schinnerkroog
Magister Eulertin entzog sich der Festnahme, indem er kurzerhand auf dem Lindenblatt in die Höhe stieg. Drohend hob er den winzigen Zauberstab. »Ihr vergesst Euch, Erster Ratsherr!«, rief er. »Ich verstehe Euren Schmerz. Wir alle mochten Euren Bruder. Aber Euer Zorn macht Euch blind!«
»Im Gegenteil«, fauchte Schinnerkroog. »Ich bin der Einzige, der klarsieht. Es ist die verfluchte Zauberei, die diese Welt immer wieder ins Verderben stürzt. Und jetzt übergebt mir Euren Zauberstab, Eulertin!«
»Ganz sicher nicht, Ratsherr!«, erwiderte Eulertin mühsam beherrscht. »Ich bin ein offizieller Gesandter Hallas und ich rate Euch schon aus Gründen der Diplomatie, es Euch nicht mit mir zu verscherzen.«
»Ergreift ihn!«, befahl Schinnerkroog unbeeindruckt.
Schräg hinter dem Magier stürmte plötzlich ein Gardist mit einem großen Schmetterlingskescher heran. Schinnerkroog musste über ihr Kommen Bescheid gewusst haben. Doch der Däumling wirbelte geistesgegenwärtig herum und beschwor einen Windstoß herauf, der den Gardisten von den Beinen fegte. Auf diesen Moment schien der Erste Ratsherr nur gewartet zu haben. Kaum wandte ihm Eulertin den Rücken zu, schleuderte er ein weißes Pulver in seine Richtung. Der Däumling hob noch seinen Zauberstab, doch das Pulver umnebelte ihn bereits. Schon begann das Lindenblatt zu trudeln und er stürzte auf den Fliesenboden.
»Magischer Staub aus Hippogriffenknochen! Ebenso teuer, wie effizient – nur leider vom Gestank der Zauberei durchweht. Aber manchmal muss man einen Brand eben mit Feuer bekämpfen«, zischte Schinnerkroog gehässig. »Und jetzt einpacken und
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