Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
mitnehmen, bevor der Winzling wieder zu sich kommt«, herrschte er einen der Gardisten an.
Fi sah ungläubig mit an, wie der Gardist den stöhnenden Däumling vorsichtig aufhob und eher unwillig auf ein Tuch legte, auf dem bereits etwas lag: ein blauschwarzer Gewitteregel! Fi stemmte sich erschrocken gegen den Griff des Wachmanns, der sie jedoch fest umklammert hielt. Sie erinnerte sich nur zu gut an Magistra Wogendamms Worte. Diese Egel waren in der Lage, einem Zauberer die magischen Energien zu entziehen.
Eulertin kam allmählich wieder zu sich, doch der Egel klebte bereits an seinem winzigen Leib. »Ihr missbraucht Eure Macht in arroganter und selbstgefälliger Weise, Erster Ratsherr!«, ächzte er.
Schinnerkroog schritt die Treppe hinab und beugte sich kalt lächelnd über ihn. »Macht, Magister Eulertin, wirkt nur arrogant, wenn man ihr unterlegen ist!« Er wandte sich Fi und Nikk zu und riss verblüfft die Augen auf. »Zwei Vertreter des Alten Volkes, sieh an! Dummerweise gelten Elfen als Feinde Albions. Wird bekannt, dass sich gleich zwei von euch hier aufhalten, wird Hammaburg nur noch mehr Aufsehen erregen. Wir werden uns also auch für euch etwas einfallen lassen müssen.« Er wandte sich dem Brunnen zu. »Aber jetzt erst einmal dazu.«
»Wagt es nicht, Euch dem Brunnen zu nähern!«, zischte Nikk. In seinen Augen schimmerte kalte Wut. Schinnerkroogs stechender Blick durchbohrte ihn. »Du willst mir Befehle erteilen, Spitzohr?«
Jetzt reichte es Nikk. Zornig rammte er den Kopf nach hinten und traf einen der beiden Gardisten, die ihn gefangen genommen hatten. Jaulend vor Schmerz und mit blutiger Lippe ließ er Nikk los und wankte zurück. Das verschaffte dem Meermann genug Spielraum, nach hinten zu greifen und den zweiten Wachmann mit einem gekonnten Schulterwurf zu Boden zu schleudern.
»Passt doch auf, ihr unfähigen Trottel!«, brüllte Schinnerkroog. Doch Nikk sprang bereits vor und versetzte ihm einen heftigen Stoß. Der Erste Ratsherr ging zu Boden und Nikk stürmte im verzweifelten Bemühen, einen Blick auf das leuchtende Wasser zu werfen, zum Brunnen.
»Vorsicht, Nikk!«, rief Fi. Längst hatte eine weitere Wache zum Schlag mit der Hellebarde ausgeholt. Nikk beugte sich gerade über den Brunnenrand, als der Mann ihn mit der stumpfen Seite der Waffe im Nacken traf. Nikk taumelte stöhnend nach hinten. Schon warf sich der Gardist mit der blutig geschlagenen Lippe auf ihn. Ihm folgte der Kerl, den Nikk zu Boden geworfen hatte. Der Meermann wand sich im Griff seiner Gegner und schlug zornig um sich. Der Gardist mit der Hellebarde stieß noch einmal mit dem stumpfen Ende der Waffe zu und Nikk sackte bewusstlos zusammen.
Fi konnte nicht fassen, was sich vor ihren Augen abspielte. Sie musste etwas tun. Nur was?
Der Erste Ratsherr hatte sich längst wieder aufgerappelt und trat mit finsterem Blick neben Nikk. Blass vor Zorn spuckte er auf den Bewusstlosen. »Noch nie hat es jemand gewagt, Hand an mich zu legen«, flüsterte er heiser. »Noch nie! Dafür wird diese Made bezahlen.« Herrisch wandte er sich zu Fi um und einen Moment lang konnte sie hinter der Maske aus Arroganz und Überheblichkeit Schinnerkroogs wahres Antlitz erblicken – die boshafte Fratze eines alten, von Neid und Missgunst zerfressenen Mannes, der sein Leben lang im Schatten anderer gestanden hatte. Fi war sich sicher, dass er vor nichts zurückschrecken würde, um seine Macht zu erhalten. Wahrscheinlich empfand er sogar Genugtuung dabei, über andere zu richten.
Schinnerkroogs Mundwinkel verzogen sich geringschätzig. »Doch zuvor gilt es, etwas anderes zu tun.« Er wandte sich dem Brunnen zu, als die Stimme eines Gardisten weiter hinten zu hören war. »Zeigt her! Was wollt ihr da vor mir verbergen?« Er packte die Ratsfrau am Arm und entriss ihr die silberne Schminkdose.
»Was erdreistet Ihr Euch?«, schimpfte sie. »Das ist ein Geschenk, das allein …«
Schinnerkroog, der bereits am Brunnen stand, sah kurz zu ihnen hinüber und Fi erkannte, wie sich seine Augen vor Schreck weiteten. Doch der Wachmann hatte die Dose bereits geöffnet. Mit lautem Knall stach eine grelle Flamme daraus hervor. Schreiend wankte der Gardist zurück und ließ die Dose fallen. Im Obergeschoss klappten Türen und Fi entdeckte ein halbes Dutzend Schreiber auf der Treppe, die aufgescheucht von dem Lärm nach unten starrten. »Was geht hier vor?«, rief einer von ihnen.
»Verschwindet!«, keifte Schinnerkroog, dem die allgemeine Aufmerksamkeit
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