Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Augen sprach ein fast feierlicher Ernst. Seine Gesichtszüge kamen Fi irgendwie vertraut vor.
»Du bist erschöpft«, sagte der Elf mit angenehmer Stimme. »Und du fühlst dich allein. Aber das bist du nicht.«
Fi richtete sich auf und ließ den Blick über das Bachufer schweifen. »War ich nicht eben noch im Meer?«
Der Elf legte ihr mitfühlend die Hand auf die Stirn. »Jetzt bist du hier.«
»Und wo bin ich?«
»Was glaubst du denn?«
»Etwa auf Albion? Aber das kann nicht sein. Ich …«
»Du befindest dich auf einer Reise«, erklärte der Elf. »Eine Reise, die dich an den Ort deiner Bestimmung führt. Noch hast du dein Ziel nicht erreicht.«
»Das verstehe ich nicht. Welche Reise? Ich … ich kann mich an nichts erinnern.« Fi stiegen Tränen in die Augen und der Elf sah sie mitfühlend an.
»Ich weiß«, erwiderte er. »Doch all das hat einen Grund. Du musst keine Angst haben. Ich bin hier, um dir zu helfen. Sieh!« Er deutete in den silbrigen Regen und Fi sah zu ihrem Erstaunen, dass die Regentropfen um sie herum nicht mehr auf das Blätterdach fielen, sondern im Fall innehielten und nun wie ein Meer aus silbernen Perlen in der Luft schwebten. Jäh stiegen sie wieder zum Nachthimmel auf, als wäre plötzlich alles auf den Kopf gestellt.
»Das hier ist ein Traum«, wisperte Fi. Sie beugte sich vor und sah fasziniert mit an, wie die Tropfen geradewegs zur Mondsichel hinaufstiegen und dabei schneller und immer schneller wurden, als wollte jeder von ihnen den Himmelstrabanten als Erster erreichen. Da bewegte sich die Mondsichel und wanderte über das Firmament. Zunehmend wurde sie heller, bis sie als Vollmond ihre ganze Pracht entfaltete. Der Schatten der Eiche bewegte sich im Mondschein und wurde immer kürzer, bis alles um Fi herum in gleißendes Licht getaucht war. Die Blätter des Baums, die filigranen Zweige der Sträucher am Bachufer, sogar die Gräser und Blumen funkelten, als wären sie aus Silber gewoben. Selbst Fis rätselhaftem Gefährten verlieh das Licht einen unwirklichen Schimmer. Doch der Mond hatte seine Bahn noch nicht beendet. Die silberhelle Scheibe wanderte weiter, verdunkelte sich nach und nach, bis sie dicht über den Baumwipfeln jenseits des Bachs wieder als schmale Sichel innehielt. Der silbrige Regen fiel jetzt wieder auf die Erde, tröpfelte vom Blätterdach und versickerte im Boden.
Fi hatte das seltsame Geschehen atemlos mit angesehen. »Was war das eben?«
»Was glaubst du?«, gab der Elf zurück.
»Das sagte ich doch schon: ein Traum. Das alles hier ist nicht wirklich.«
»Und warum träumen wir Elfen?«
»Um eins zu werden mit dem Unendlichen Licht«, antwortete Fi zögernd. »Im Traum sind wir ihm näher als im Wachzustand.«
Der Elf nickte langsam. »Dann wird all dies wohl eine Bedeutung haben.«
»Dann war das eben ein … Zeichen?«
Der Elf lächelte geheimnisvoll.
»Ein Zeichen wofür?«, fragte Fi verzweifelt. »Bitte, ich erinnere mich nicht. Ich weiß nicht, wer du bist. Ich weiß nicht einmal, wer ich bin.«
»Gehe in dich«, antwortete ihr Gegenüber. »Überprüfe deine Gefühle und lausche in dein Herz.«
Fi starrte den Elf an und wieder stieg ein eigentümlich vertrautes Gefühl in ihr auf. »Du bist ein Freund, richtig? Ein alter Freund.«
»Wenn das dein Herz dir sagt, wird es wohl stimmen.«
Fi wollte den Elf berühren und entdeckte zu ihrer Überraschung, dass ihre Finger von Silberlicht umflort wurden. Nein, das war ein Band aus Licht – und es reichte hinüber bis zur Brust des Elfen.
»Wir sind einander lichtverschworen!«, stellte sie ergriffen fest. Der Begriff war plötzlich da. Er stieg so deutlich aus dem Nebel ihrer verschütteten Erinnerungen auf, wie sich die Mondsichel über ihr am nächtlichen Himmelsgewölbe abzeichnete. Panisch klammerte sie sich an diesen Begriff, denn mit ihm war ein Name verbunden. »Beim Traumlicht, du bist Gilraen! Uns beide verbindet das Schicksal!«
»Das, liebe Fi, ist doch ein guter Anfang.« Gilraen lächelte wehmütig. Er beugte sich zu ihr hinab …
… und Fi spürte weiche Lippen auf ihrem Mund. Abermals schlug sie die Augen auf. Es war dunkel und sie fühlte sich seltsam schwerelos. Sie war von Wasser umgeben und unmittelbar vor ihr war … Nikk. Der Meermann hielt sie zärtlich im Arm und küsste sie. Fi spürte seinen muskulösen Körper dicht an ihrem und eine prickelnde Wärme stieg in ihr auf. Sie konnte nicht anders, als Nikks Kopf zu umfassen und den Kuss zu erwidern.
Schwer
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