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Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Titel: Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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atmend löste sie sich wenig später von ihm und sah ihn erstaunt an. Da begriff sie, dass sich ihr Brustkorb nicht nur so heftig hob und senkte, weil sie in Nikks Armen lag, sondern weil unentwegt Wasser in ihre Lunge strömte. Das Gefühl war eigenartig und doch kam es ihr irgendwie natürlich vor.
    Ich habe schon in der Grotte gespürt, dass du ein Mädchen bist, erklang Nikks Stimme in ihrem Kopf. Die langen Haare trieben im Wasser und umspielten sein Gesicht. Ein hübsches Mädchen, wie ich hinzufügen möchte.
    Fis Versuch, ein Wort über die Lippen zu bekommen, ging im Wasser unter. Das gibt dir nicht das Recht, einfach … Also, nur weil ich bewusstlos war …, stammelte sie in Gedanken und ärgerte sich über sich selbst.
    Ein freches Lächeln huschte über Nikks Lippen. Und obwohl Fi so aufgebracht war, weckte es in ihr das heftige Verlangen, ihn noch einmal zu küssen. Ein Verlangen, das sie nur unterdrückte, um sich einen letzten Rest Würde zu bewahren – und auch, weil ihr noch immer der seltsame Traum vor Augen stand.
    Gilraen.
    Wer war er?
    Es tut mir leid. Nikk ließ von ihr ab und sah zur vereisten Wasseroberfläche auf. Aber mir blieb nur der Nökk-Kuss, um dich vor dem Ertrinken zu bewahren. Du solltest froh sein, dass du kein Junge bist. Denn sonst hätte ich dich nicht retten können.
    Fi folgte seinem Blick und starrte auf die massive Eisdecke, die sich über ihnen spannte, so weit das Auge reichte. Der Rumpf des muschelverkrusteten Geisterschiffs steckte in dem frostigen Panzer wie ein fauliger Dorn. Unter lautem Krachen schlugen beständig Blitze in die Eisfläche ein und tauchten alles in ein grelles Flackerlicht. Jeder Einschlag hinterließ ein spinnennetzförmiges Muster aus Rissen, die sich knisternd ausbreiteten.
    Wo ist die Sirene?, fragte Fi besorgt in Gedanken.
    Nikk deutete zum Heck des Schiffes empor und Fi entdeckte in der Nähe des großen, von Eis umschlossenen Ruderblatts einen langen Fischschwanz, der zornig hin- und herschlug. Wie auch immer du das angestellt hast, ich befürchte, sie hat sich bald aus ihrer eisigen Falle befreit. Und nicht nur sie, auch Eisenhands Schiff dürfte bald freikommen.
    Fi konnte selbst sehen, dass inzwischen große Stücke aus der dicken Eisdecke herausgebrochen waren, die langsam aufs Meer hinaustrieben.
    Lass uns von hier wegschwimmen, schlug Nikk vor. Bleib dicht bei mir. Er fasste nach Fis Hand und mit kräftigen Flossenschlägen zog er sie tiefer in die nachtblaue See. Je weiter sie sanken, desto mehr verstärkte sich der Druck in Fis Ohren. Doch das Gefühl blieb erträglich. Viel unwirklicher erschien ihr die Tatsache, dass sie nach dem Nökk-Kuss unter Wasser atmen konnte.
    Wohin schwimmen wir?
    Erst einmal weg vom Geisterschiff, antwortete Nikk.
    Fi blieb nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen. Krampfhaft hielt sie sich an seiner Hand fest und ließ sich von ihm durch die Fluten ziehen.
    Wir folgen jetzt der Strömung nach Westen, hörte sie irgendwann wieder seine Stimme in ihrem Kopf. Ich hoffe, dass sie unsere Fährte fortspülen wird, denn Sirenen können ihre Opfer im Wasser schmecken.
    Tatsächlich spürte Fi, wie das Wasser allmählich wärmer wurde. Das Flackerlicht hinter ihr wurde schwächer und Fi beschlich das Gefühl, in einen Topf mit Tinte gefallen zu sein. Um sie herum war alles schwarz. Ihr Verstand gaukelte ihr bereits Trugbilder von mordlüsternen Kraken vor, die im Dunkeln ihre riesigen Fangarme nach ihr ausstreckten. Und das machte ihr zunehmend Angst.
    Irgendwann bemerkte sie, dass Nikk seine Bewegungen verlangsamte. Etwas strich zart über ihr Gesicht und sie schreckte zurück. Was war das?, wollte sie wissen.
    Hab keine Angst, beruhigte sie der Meermann. Nikk stieß gurrende Laute aus, die von der Strömung weitergetragen wurden, dann wartete er. Unvermittelt tauchte in der Finsternis vor ihnen ein trübes Licht auf. Ihm folgte ein weiteres und gleich darauf leuchtete noch eines auf. Es wurden immer mehr. Fasziniert sah Fi dabei zu, wie sich ihnen Dutzende rötlich schimmernde Leuchtquallen mit langen Nesselfäden näherten. Die filigranen Geschöpfe sahen aus, als würden sie aus biegsamem Glas bestehen. Glockengleich und von den gemächlichen Kontraktionen ihrer durchscheinenden Körper angetrieben, umkreisten sie Fi und Nikk und spendeten ihnen Licht. Die Geschöpfe wirkten auf Fi wie schwebende Lampions an einem lauen Sommerabend. Zwischen ihnen ragten unzählige lange Fäden auf, die sich träge in

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