Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
seltsame Anblick ließ in Fi eine Empfindung aufkeimen, die sie längst verloren zu haben glaubte: Hoffnung! »Was ist das da vorn?«
»Nun, du Plattfisch«, erwiderte Koggs feierlich. »Das sind die Leuchtfeuer der Feenkönigin Berchtis, die alles vom Festland abhalten, was die finstere Nebelhexe ausbrütet!«
»Leuchtfeuer der Feenkönigin?« Fi trat ergriffen an die Reling. »Du meinst, die Feenkönigin höchstpersönlich hat in den Kampf gegen Morgoya eingegriffen?«
»Oh ja, das hat sie!«, antwortete der Klabauter.
»Die Feenkönigin hat die Leuchtfeuerkette bereits vor vierzehn Jahren entzündet«, erklärte Nikk. »In nur einer Nacht. Die Lichter erstrahlen auf den Spitzen von Leuchttürmen, die selbst als Wunderwerke gelten. Sie sorgen dafür, dass ihr Schein weit über das Meer getragen wird.«
»Diese Leuchttürme säumen die komplette Küste«, ergänzte Koggs. »Angefangen bei den Ausläufern der Elfenwälder im Westen bis hin zu den entlegensten Winkeln der Bernsteinbucht im Osten. Es ist auch nicht nur Magie, die all diese Türme Nacht für Nacht zum Erstrahlen bringt. In ihnen wirkt vielmehr die Schöpfungskraft selbst – das Unendliche Licht. Und das macht diese Leuchtfeuerkette zu einem Bollwerk, gegen das Morgoya jetzt schon seit über einem Jahrzehnt so vergeblich anrennt wie die Flut gegen einen hohen Deich.« Koggs lachte. »Morgoyas Schattenkreaturen vergehen in Berchtis’ Licht nämlich, als wären sie unmittelbar der Sonne ausgesetzt. Damit hat die Feenkönigin die freien Völker bis heute vor einer Invasion bewahrt.«
»Ja, sie schützt alle Völker«, ergänzte Nikk bitter. »Alle – außer uns.«
Fi warf Nikk einen irritierten Blick zu, doch der Meermann ging nicht darauf ein. Stattdessen wandte er sich dem Klabauter zu. »Und jetzt verrate mir, Koggs Windjammer, warum ich dich nach Jada’Maar begleiten soll? Etwa, um mich dort mit meinem Volk zu vereinen? Mir steht nicht der Sinn nach Feierlichkeiten.«
»Nein, Königliche Hoheit. Nicht wegen der Feierlichkeiten.« In Koggs’ Augen schimmerte es verheißungsvoll. »Aber ich kann Euch dort mit einem langjährigen Freund und Verbündeten bekannt machen.«
»Einem Klabauter?«
»Mitnichten. Ich spreche von einem ganz großen Zauberer.« Koggs richtete sich würdevoll auf. »Ich spreche von Magister Thadäus Eulertin, dem mit Sicherheit erstaunlichsten Magier der freien Welt. Wenn er Eurem Vater nicht helfen kann, dann vermag es niemand.«
Jada’Maar
D er Morgen graute über dem Nordmeer und der Wind flüsterte in den Wanten. Fi stand in ihre Fellweste gehüllt auf dem Vorderkastell und lauschte den Wellen, die gegen den Bug des Schiffs brandeten. Koggs’ Schiff passierte eine von mehreren Dünen, die vor der Küste ein Art Nehrung bildeten. Seit einer guten Stunde folgte der Seekobold einem eigenartigen Zickzackkurs, der sie mal näher an die Küste heran, dann aber wieder von ihr wegführte. Inzwischen lag ein feiner Nebel über dem Wasser, doch der morgendliche Dunst hatte nichts Unheimliches an sich. Im Gegenteil, Fi spürte, dass dieser Nebel auf eine elementare Weise rein war, ganz anders als auf Albion.
Koggs hatte inzwischen einen Kurs gewählt, der sie mitten hinein in die urtümliche Küstenlandschaft führte. Rechts und links von ihnen zeichneten sich Priele ab, die das sumpfige Marschland wie Adern durchzogen. In Fahrtrichtung ragten große Geestinseln aus den Moorflächen, die sich weit ins Landesinnere erstreckten. Möwen zogen über ihnen ihre Kreise.
Fi freute sich schon darauf, Land betreten zu können, das nicht von Morgoyas Wirken vergiftet war. Doch im Moment waren es zwei andere Dinge, die ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.
Zum einen war dies ein hoher Leuchtturm, der schlank und erhaben schräg vor ihnen auf einem Felsen aufragte. Berchtis’ wundersames Bauwerk war aus grünem Marmor gefertigt und fächerte sich nach oben hin zu einer Plattform aus rotem Gestein auf. Die Umgrenzung war wie ein gewaltiger Blütenkelch geformt, sodass der feenhafte Turm aus der Ferne so aussah, als wäre er wie eine gewaltige Rose aus dem Untergrund emporgewachsen. Vielleicht war er das sogar? Fi erinnerte sich an Nikks Worte, denen zufolge Berchtis’ Leuchtfeuer in nur einer Nacht entflammt waren, und das an allen Küsten zugleich. Wie ein derartiges Wunder überhaupt möglich war, überstieg allerdings ihre Vorstellungskraft.
Die eigentliche Magie des Leuchtturms ging von einem muschelförmigen Aufbau mit
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