Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
die Haut ihres Reittieres, die sich glatt und geschmeidig anfühlte. Dann folgte sie Nikks Beispiel. Und jetzt?
Stups sie mit deiner Flosse, ich meine, mit deinen Füßen an. Nikk gab seinem Riesenseepferd mit der Schwanzflosse einen Klaps. Sogleich löste es sich von den Algen und stieg langsam zu den Leuchtquallen auf.
Fi machte es ihm nach und auch ihr Seeross stieg empor. Sie wollte sich gerade wieder an Nikk wenden, als sie merkte, dass das Tier unruhig wurde. Jäh schoss das Geschöpf in die Dunkelheit und jagte dann in einer seltsam ruckartigen Bewegung zurück zum Meeresboden. Fi hatte Mühe sich festzuhalten. Im nächsten Augenblick war Nikk an ihrer Seite. Er packte Fis Seepferd am Kopf und beruhigte es mit einer Abfolge gurrender Laute.
Irgendetwas stimmt hier nicht, sandte er Fi in Gedanken.
Die Sirene? Fi sah sich erschrocken um.
Nein, etwas anderes. Ich nehme ein mächtiges Rauschen wahr. Wie von großen Flossen. Von sehr großen Flossen. Rasch, folge mir!
Nikk packte eine der Leuchtquallen an den Nesselfäden und jagte auf seinem Seepferd voran in die Dunkelheit. Fi schloss sich ihm notgedrungen an, hatte aber trotz ihres ungewöhnlichen Reittieres Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Jetzt konnte sie es auch spüren. Da waren beunruhigende Bewegungen im Wasser. Mit großer Geschwindigkeit schoss sie Nikk hinterher über Felsen hinweg, die sich düster vor dem übrigen Meeresboden abhoben, bis sich eine Bodensenke auftat, in der dunkel und erhaben das Wrack einer untergegangenen Kogge lag. Der alte Kahn mit dem großen Laderaum war auf die Seite gekippt, seine Aufbauten waren über und über mit Tang und Muscheln bedeckt und die gebrochenen Masten stachen wie riesige Pfeile in die Dunkelheit. Trotz der schlechten Sicht konnte Fi Krüge und Amphoren ausmachen, die rund um das Schiffswrack verstreut lagen.
Nikk winkte und lenkte sein Riesenseepferd auf die offen stehende Ladeluke der Kogge zu. Fi folgte ihm ins Innere des Wracks und verließ sich dabei ganz auf die Instinkte ihres Reittieres, dessen Angst jetzt fast greifbar war. Zwischen verrotteten Fässern und alten Kisten wartete Nikk auf sie. Die Leuchtqualle in seiner Rechten verlor an Licht, bis nur noch ein trübes Schimmern von ihr ausging. Fi versuchte ihr Riesenseepferd durch Streicheln zu beruhigen, obwohl ihr das Herz selbst bis zum Hals schlug.
Im nächsten Moment spürte sie den Wasserdruck. Die hölzernen Wände des Wracks ächzten und knarrten wie unter dem Auftreffen einer starken Welle und einen Augenblick lang sah Fi vor der Öffnung des Stauraums einen gewaltigen Schatten vorübergleiten. Als er wieder verschwunden war, ließ Nikk noch etwas Zeit verstreichen, dann brachte er die Qualle wieder dazu, ihre Leuchtkraft zu entfalten.
Bei allen Schattenmächten, was war das?, fragte Fi entsetzt.
Nikk zögerte, löste sich von seinem Meerross und schwamm hinüber zur Öffnung des Stauraums. Ich weiß es nicht. Zuerst dachte ich an eine Seeschlange, doch das Strömungsmuster war irgendwie anders. Er überlegte. Seltsam, dabei haben wir an den Grenzen unseres Reiches eigentlich genügend Wächter aufgestellt, die uns vor solchen Gefahren warnen sollten. Was auch immer das eben war, es befindet sich so tief in meines Vaters Meerreich, dass sich ihm eigentlich schon längst ein Trupp Jäger an die Schwanzflosse geheftet haben sollte.
Nikk winkte sein Seepferd herbei und führte Fi wieder ins Meer. Das Wasser war ungewöhnlich warm. Nikk hielt ebenfalls irritiert inne und streckte die mit Schwimmhäuten bedeckte Hand aus. Doch auch er schien sich auf die Temperaturveränderung keinen rechten Reim machen zu können. Von den schwirrenden Flossenschlägen ihrer Reittiere angetrieben, schwebten sie weiter durch die Dunkelheit.
Erst als sich Nikk sicher war, dass keine Gefahr mehr drohte, schlug er ein höheres Tempo an und führte Fi in Richtung Süden. Dabei lauschte er unentwegt in die Fluten, als orientiere er sich an Geräuschen, die Fi nicht hören konnte. Rasch wurde das Wasser wieder kälter.
Nach einer Weile stiegen sie auf und Fi konnte über sich das fahle Glitzern der Meeresoberfläche erkennen. Dort oben war nun auch schemenhaft der Kiel eines fahrenden Schiffes auszumachen, das ein kleines Beiboot hinter sich herzog. Fi war jetzt doch ein wenig traurig darüber, dass ihr wundersamer Aufenthalt im Meer ein Ende fand. Ihre Köpfe durchstießen die Wasseroberfläche und sie erblickte die Steuerbordseite eines
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