Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
schnittigen Seglers. Das war Koggs’ Schiff!
Fi winkte und wollte etwas rufen, doch stattdessen erbrach sie einen Schwall Seewasser. Erstickt keuchte und hustete sie und ihre Lunge füllte sich eher widerwillig mit Luft. Dennoch war ihre Anwesenheit bemerkt worden. Ein Matrose mit Laterne beugte sich über die Reling und riss bei ihrem Anblick die Augen auf.
»Nixen!«, rief er begeistert. »Kameraden, da draußen sind zwei Nixen!«
An Deck war das Trommeln nackter Füße zu hören und zahlreiche johlende und pfeifende Gestalten drängten sich neben den Matrosen. Fi fasste sich unwillkürlich in den Nacken und spürte zu ihrer Beruhigung noch immer das Kopftuch, das ihre wahre Natur verbarg. Nikk, dessen Kopf neben ihr aus dem Wasser ragte, ähnelte mit dem langen, seegrünen Haar dagegen tatsächlich einer Vertreterin seines Volkes.
»Krakendreck und Tanggrütze! Zurück auf eure Posten!«, krakeelte eine wütende Stimme und schon lugte Koggs’ knollennasiges Gesicht über die Bordwand. »Die beiden da unten sind so sehr liebliche Meernymphen, wie ich euer mildtätiger Großvater bin!«
Die Mannschaft zog enttäuschte Gesichter.
»Und jetzt werft den beiden eine Strickleiter zu. Aber hurtig!«
Die Seeleute folgten dem Befehl. Fi löste sich widerwillig von ihrem Riesenseepferd, griff nach der untersten Sprosse und kletterte an Bord. Koggs überreichte ihr Fellweste und Stiefel, die Fi rasch gegen ihr durchnässtes Hemd drückte. Nicht, dass den Männern noch auffiel, dass vor ihnen kein Junge stand. Doch die Aufmerksamkeit der Matrosen war auf Nikk gerichtet, der in seiner elfischen Gestalt ebenfalls an Bord kletterte. Seine grünlich-blaue Haut und seine Haare verrieten jedoch, welchem Volk er wirklich entstammte. Noch immer hielt er das Muschelhorn in der Rechten und sah gefasst in die Runde. Einigen Matrosen fiel vor Überraschung die Kinnlade herunter.
»Herrje, habt ihr Plankenrutscher noch nie einen Meermann gesehen?«, zürnte Koggs.
»Ich wusste gar nicht, dass es auch Meer männer gibt«, wagte einer von ihnen zu erwidern. Koggs’ Kopf lief rot an und rasch machten sich die Seeleute aus dem Staub. Der Klabauter beruhigte sich erst wieder, nachdem er eine Schnapsflasche unter seinem Kapitänsrock hervorgezogen und daraus einen kräftigen Schluck genommen hatte. »So, ihr Seegurken«, er rülpste laut, »ich hoffe, ihr beide wart erfolgreich?«
»Nein, leider nicht«, sagte Nikk niedergeschlagen. Fi und der Meermann ließen sich von Koggs Windjammer zum Bug des Schiffs führen. Gischt spritzte auf und es wehte ein so kräftiger Wind, dass sie sich ungestört von der übrigen Mannschaft unterhalten konnten. In groben Zügen berichteten die beiden, was ihnen widerfahren war.
»Kraken und Polypen, das ist doch mal ein Abenteuer so recht nach meinem Geschmack«, kommentierte Koggs das Gehörte. »Da kann man ja richtig neidisch werden.«
»Dennoch wäre es hilfreich gewesen, wenn ich etwas früher erfahren hätte, dass dieses Elixier Wasser zu Eis verwandeln kann«, meinte Fi säuerlich. »Fast hätte ich mich damit selbst eingefroren.«
»Tut mir leid.« Der Klabauter schniefte. »Das edle Tröpfchen stammte aus dem Nachlass eines Hammaburger Seeschlangenjägers. Ich wusste nicht, wozu es gut ist. Als ich damals in die Palastintrige des Undinenkönigs Niccuseie geraten bin, musste ich selbst mal …«
»Du kennst Undinenkönig Niccuseie?«, unterbrach ihn Nikk ungläubig. »Die Nökks und Undinen des Flussvolkes sind gern gesehene Gäste im Meerpalast.«
»Ich weiß.« Koggs schniefte prahlerisch. »Schließlich steht Ihr sozusagen Niccuseies Fast-Schwiegersohn gegenüber. Seine Tochter und ich, was soll ich sagen, das war Liebe auf den ersten Blick. Es hat uns erwischt, wie eine mächtige Brandung. Leider hat es ihr eifersüchtiger Vater nicht hinnehmen wollen, dass sich sein hübsches Töchterlein in ein gestandenes Mannsbild wie mich verliebt hat. Ha, er lässt heute noch nach mir suchen.« Plötzlich verfinsterte sich Koggs’ Gesicht. »Moment mal, zwischen Euren Völkern besteht doch kein Abkommen, das in einem Fall wie meinem …?«
»Nein, nein.« Nikk winkte ab. »Aber ich sollte mich besser wieder aufmachen, den Lingustentang zu finden.«
»Lingustentang?« Koggs zog die Stirn in Falten.
Nikk zögerte, doch Fi ermutigte ihn, dem Klabauter von seiner Mission zu erzählen.
»Meerkönig Aqualonius ist krank? Das klingt gar nicht gut.« Koggs überlegte. »Hätte mir Kriwa auch
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