Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
meine Ahnen damals die Wirklichkeit mit dem Traum tauschten. Ihr Ziel war angeblich ein Mysterium, das für das Leben in unserer Welt von höchster Bedeutung ist.«
»Ja, irgendetwas müssen sie wohl gefunden haben.« Nikk strich sich müde das nasse Haar aus der Stirn. »Denn Avalaion erhörte das Flehen von Poseleion. Und er war mächtig geworden. Genau an diesem Ort«, Nikk breitete die Arme aus, »kam es zu einer Begegnung zwischen den beiden. König Avalaion schenkte meinem Urururgroßvater einen magischen Dreizack aus Flussgold und purem Mondeisen, der ihn dazu befähigte, über die Kreaturen des Meeres zu gebieten.« Er wies zu dem majestätischen Dreizack, den sein Vorfahre emporstreckte. »Noch heute dient uns dieser Dreizack als Insigne der Königsehre. Man sagt, die Seele meines Volkes sei an diese Waffe gebunden. Seitdem haben es nur wenige aus dem einstigen Gefolge Ondars gewagt, dem Palast der Wogen zu nahe zu kommen. Auch Morgoya fürchtet seine Macht.«
»Wieso?«
Nikk schürzte verächtlich die Lippen. »Weil der König des Meervolkes mithilfe des Dreizacks jederzeit einige der Wasserdrachen auf Morgoyas Schattenzüchtungen loslassen kann. Unsere Flutenkerker sind voll von ihnen.«
»Und Avalaion hat euch diese mächtige Waffe einfach so überlassen?«, fragte Fi verwundert.
»Nein, der Verrat meines Volkes war nicht vergessen.« Nikk deutete auf einen Gegenstand in Avalaions rechter Hand. »Er hat Poseleion zuvor beim Unendlichen Licht, bei der Macht der Träume und der Königsehre schwören lassen, dass er fortan Buße tun und das Meer frei von allen Einflüssen der Schatten halten müsse. Sollten er oder einer seiner Thronfolger sich je diesem Schwur verweigern, werde ihm der Dreizack den Dienst verwehren.«
Fi trat näher an das Reiterstandbild heran. Was hatte Avalaion in der Hand? Eine Art Amulett? Da es von Blüten nachgebildet wurde, konnte sie nur grobe Einzelheiten erkennen. War darauf der Mond in seinen verschiedenen Phasen abgebildet? Irgendwie beschlich sie beim Anblick des Gegenstands ein merkwürdiges Gefühl.
»Das ist der legendäre Glyndlamir!« Nikks Stimme klang ehrfürchtig. »Dieses Amulett wird in vielen Legenden auch als Schwurstein bezeichnet. Elfenkönig Avalaion hatte das Amulett aus den Traumwäldern mitgebracht. In ihm wirkten das Unendliche Licht und der Traum zu gleichen Teilen. Erst als sie darauf geschworen hatten, galt der Pakt zwischen Avalaion und Poseleion als bindend.«
Seltsam, spielte ein solcher Schwurstein nicht auch in der Geschichte Albions eine wichtige Rolle? Fi konnte sich nur nicht daran erinnern, welche. Abermals rauschte eine Wasserkaskade an der prachtvollen Rankenskulptur Avalaions zu Boden. »Und warum erzählen die Legenden davon, dass auch meine Vorfahren aus Jada’Maar stammen?«
»Deine Ahnen waren einige Jahre in Jada’Maar sesshaft.« Nikk schien regelrecht froh darüber zu sein, dass Fi ein anderes Thema angeschnitten hatte. »Sie siedelten sich hier am Ende der Schattenkriege an, kurz nachdem sie Sigur Drachenherz dabei geholfen hatten, den finsteren Zauberer Murgurak den Raben zu bezwingen. Jada’Maar war also eine Art Zwischenstation auf ihrem Weg nach Albion, was sie als einstige Bewohner natürlich nicht weniger ehrenhaft macht.« Nikk lächelte zaghaft. »Jetzt weißt du, welche Verbindung zwischen uns und Jada’Maar besteht. Avalaions Macht ist es auch zu verdanken, dass wir alle sieben Jahre für eine Mondphase wieder die Gestalt der Elfen annehmen können. Ich bin mir sicher, der kleine Magister kennt diese Zusammenhänge ebenfalls. Ansonsten hätte er unserem gemeinsamen Erscheinen keine solche Bedeutung beigemessen.« Er schwieg eine Weile. »Ich hoffe sehr, dass du mich jetzt nicht in einem anderen Licht betrachtest.«
»Nein, natürlich nicht.« Fi sah überrascht zu Nikk auf. »All das liegt doch schon Jahrhunderte zurück. Ich messe meine Freunde an ihren Taten, nicht an denen ihrer Vorfahren.«
»Dann sind wir Freunde?«
Fi lächelte. »Freunde! Wer weiß schon, wozu es noch gut ist, mit einem echten Meerprinzen befreundet zu sein.«
Nikk lachte und entblößte dabei eine Reihe strahlend weißer Zähne.
Fi hob mahnend einen Finger. »Du musst mir aber versprechen, in meiner Gegenwart nie wieder zu diesem Meervolkzauber zu greifen. Du weißt schon, was ich meine.«
Nikk sah sie in gespielter Unschuld an. »Hat dir unser Kuss denn nicht gefallen?«
»Nikk!«
»Versprochen! Beim Unendlichen Licht!« Nikk hob
Weitere Kostenlose Bücher