Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
solltest du auch.« Sie drückte Fi die Überreste des Füllhorns wieder in die Hände. »Bewahre, was von ihm übrig ist. In diesem Gefäß steckt noch immer jene Wirklichkeit, ohne die ein Traum kein Traum wäre.«
Fi wusste nicht, was die rätselhaften Worte der Undine bedeuten sollten. Loreline glitt zurück ins Wasser und sah wehmütig zu ihr auf. »Und jetzt heißt es Abschied nehmen. Mein Gemahl und ich werden Rüstringen verlassen. Für immer.« Sie wandte sich Nikk zu, der sie ebenso betroffen ansah wie Fi. »Auch Ihr, Königliche Hoheit, solltet die Hoffnung nicht verlieren. Denkt trotz Eurer Verzweiflung stets daran, dass nicht nur die Kräfte des Schattens um diese Welt ringen. Ihnen steht immer noch das Unendliche Licht gegenüber. Und seine Macht ist dem Schatten ebenbürtig.«
»Ich hoffe, Ihr könnt mir verzeihen«, sagte Nikk. »Ich habe mich wie ein Narr aufgeführt.«
»Wir alle lernen aus unseren Fehlern.« Die Undine warf ihm einen unergründlichen Blick zu und entfernte sich vom Boot. »Und richtet Koggs Windjammer aus, dass ihn die Tochter von Undinenkönig Niccuseie nicht vergessen hat. Ihr Vater hegt jedoch immer noch Groll gegen ihn, er möge sich also rasch von hier entfernen. Wenn Niccuseie herausfindet, dass Koggs sich wieder in sein Reich gewagt hat, wird sein Zorn fürchterlich sein.« Mit diesen Worten tauchte Loreline ab. Kurz stach ihre Schwanzflosse aus den Fluten, dann war sie verschwunden.
Fi betrachtete die Überreste des Füllhorns, auf denen sich bläulich der Schein der Flammen spiegelte. »Was auch immer wir tun«, seufzte sie, »stets scheitern wir.«
»Ich werde nicht scheitern«, erwiderte Nikk grimmig. »Effreidon ist ein Königsmörder. Aus diesem Grund wird sich ihm der Dreizack auf keinen Fall offenbaren. Und das bedeutet, dass er mich weiterhin fürchten muss. Mir bleiben noch einige Tage, in denen ich zwischen meiner und eurer Welt hin- und herwechseln kann. Und diese Zeit werde ich nutzen, um herauszufinden, in welcher Weise mein Onkel mit Finsterkrähe und Morgoya in Verbindung steht. Denn für mich besteht inzwischen kein Zweifel mehr, dass Magister Eulertins Vermutung zutrifft.« Der Meermann reichte Fi das Kopftuch, das sie irgendwo im Fluss verloren hatte, und sie verbarg wieder ihr langes helles Haar. Nikk sah ihr zu, doch seine Züge wirkten noch immer hart. »Und da ist noch etwas: Berchtis’ Worte lauteten: ›Findet ihr das Füllhorn der Träume, findet ihr auch eure wahre Bestimmung.‹ Sie sprach nicht davon, dass es uns bestimmt sei, einen Schluck daraus zu nehmen. Das ist ein feiner, aber bedeutender Unterschied! Und sie ermahnte uns, dass der Weg das Ziel sei. Wenn du also mich fragst, Fi, haben wir lediglich eine Schlacht verloren, aber noch lange nicht den Krieg! Ich sterbe lieber, als dass ich mich jetzt schon geschlagen gebe.«
Fi atmete tief ein und nickte. Gern hätte sie Nikk von ihrem Traum berichtet, doch ihr aufgebrachter Begleiter winkte bereits einem von Koggs’ Männern zu, der gerade auf dem Heckkastell des Segelschiffes aufgetaucht war. Wenig später wurden sie von den Matrosen an Bord gezogen.
Auf dem Schiff herrschte hektische Betriebsamkeit. Seeleute stampften barfuß an ihnen vorbei und vom Bug gellten die Kommandorufe des Klabauterkapitäns. »Segel setzten, ihr faulen Flussbarsche! Vier Mann an die Ankerwinde! Los, los, los!«
Koggs hinkte auf seinem Holzbein zu ihnen und musterte Fi und Nikk erleichtert. »Ich hatte schon befürchtet, euch sei etwas zugestoßen. Aber ihr seid offenbar so zäh wie Seegras. Gut so!« Missmutig betrachtete er die Reste des geborstenen Füllhorns.
Fi richtete Koggs die Worte der Undine aus und zum ersten Mal seit Langem huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Doch als sie erzählen wollte, was in den vergangenen Stunden geschehen war, winkte Koggs ab. »Spar dir deine Worte. Ich weiß Bescheid.« Er deutete zum Kabelgatt, vor dem zwei Männer Wache hielten. »Dystariel hat mir bereits Bericht erstattet.«
»Was?« Fi schreckte hoch. »Die Gargyle ist noch am Leben?«
»Ja, aber ziemlich übel zugerichtet«, knurrte der Klabauter. »Und jetzt besorg dir trockene Sachen und ruh dich aus.« Dann wandte er sich Nikk zu. »Eure Hilfe könnte ich hingegen noch brauchen. Es ist Nacht und ich kenne den Flussarm nicht besonders gut. Vielleicht könntet Ihr mir helfen, das Schiff sicher aufs Meer hinauszusteuern?«
»Natürlich.« Der Meermann nickte und lief mit Koggs zum Bug des Schiffs.
An
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