Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
Suchen fand ich eine Aussicht auf den Canal Grande, die mir recht gut gefiel.
    Man blickte auf Höhe der Ca’ D’Oro auf den Rialto-Markt. Auf dem Kanal herrschte ein reges Treiben. Allerlei Boote schoben sich hinauf und hinunter. Dazwischen die Gondel der Personenfähre, die genau unter mir an-und ablegte. Lange betrachtete ich die Fahrgäste, die die kurze Passage ungerührt im Stehen hinter sich brachten. Männer in langen, schwarzen Mänteln, mit Körben und Taschen beladene Frauen und der eine oder andere Tourist, der sich staunend am Bootsrand festhielt.
    Auch in dieser Szene suchte ich nach Wiederholungen, nach Stereotypen, nach Mustern. Obwohl ich über eine Stunde auf das Bild starrte, fand ich nichts. Es wurde nur langsam Abend. Lichter flammten nach und nach auf, und das Wasser wurde stumpf, erst grau, dann schwarz. Es war dunkel geworden. So dunkel, wie es um diese Uhrzeit auch bei uns sein musste.
    Ich fuhr in die Cafeteria, um eine Kleinigkeit zu essen. Die wenigen Personen, die mir begegneten, wirkten verlegen, als sie mich grüßten. Vielleicht hatte sich meine Degradierung bereits herumgesprochen, vielleicht bildete ich mir ihre Befangenheit nur ein.
    Später saß ich vor einem Kaffee an einem der hinteren Tische. Ich hatte noch viel Zeit totzuschlagen und kämpfte lange mit mir, ob ich Samantha anrufen sollte oder nicht. Doch über das, was mich am meisten beschäftigte, konnte ich nicht mit ihr reden. Außerdem fürchtete ich, sie nicht zu erreichen. Das hätte ich an diesem Abend nicht ertragen.
    Endlich war die Zeit gekommen aufzubrechen. In gemächlichem Tempo fuhr ich am Neckar entlang nach Heidelberg. Das wiederaufgebaute Schloss leuchtete bunt und spiegelte sich im Fluss. Auf Höhe der Alten Brücke fuhr ich durch die automatische Mautstation. Es war wenig los auf der Straße. Hin und wieder überholte mich ein schnelles E-Bike. Ein paar Querstraßen weiter bog ich ab.
    Kerstin bewohnte ein Haus in der Ludolf-Krehl-Straße in Neuenheim. Das war die vornehmste Adresse in Heidelberg, und, obwohl ich das wusste, versetzte mich das Haus am Ende der Straße in Erstaunen.
    Es war eine große Villa mit einem weitläufigen Grundstück. Hinter den Bäumen versteckte sich eine Terrasse, von der man auf die halbe Stadt hinabsah. Eines war sicher, als normaler Angestellter der Sinex AG konnte man sich einen solchen Traum nicht leisten.
    Kerstin öffnete mir mit einem Sektkelch in der Hand. »Willkommen in meinem bescheidenen Heim«, sagte sie lachend. Ihre Stimme klang ein wenig verwaschen. Vermutlich war es nicht ihr erstes Glas.
    Sie war leger, aber dennoch körperbetont gekleidet: Ein goldfarbenes Wollkleid, das wie eine zweite Haut auflag, dazu Ohrringe, Ketten, Armbänder. Auch ihre Schuhe glänzten, während sie mir auf hohen Absätzen vorausging.
    Im langen Gang passierten wir eine Galerie großformatiger Gemälde und Installationen. Hauptsächlich Vertreter der Pop-Art der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Jedes einzelne davon sicherlich ein kleines Vermögen wert.
    Im Wohnzimmer dann endlich ein wandgroßes Porträt Kowalskis. »Mein Herr und Meister«, sagte Kerstin seufzend, als sie sich in einen der Ledersessel fallen ließ. »Willst du...?« Sie zeigte auf die Champagnerflasche, die mit einigen Kristallgläsern auf einem Tablett stand.
    Ich schenkte mir ein halbes Glas ein. Obwohl mir die Marke nicht geläufig war, zweifelte ich nicht daran, dass es sich um etwas Besonderes handelte.
    »Also...«, begann ich.
    »Du kannst dir die Höflichkeitsfloskeln sparen«, unterbrach sie mich. »Ich weiß, warum du hier bist.«
    Ich sah auf. Sie lag mehr im Sessel, als dass sie darauf saß, und ihr Kleid war ein Stück hochgerutscht und gab einen großzügigen Blick auf ihre braungebrannten Schenkel frei. In der einen Hand hielt sie das Glas, mit der anderen stützte sie ihren Kopf.
    »Hohes Gericht, ich bekenne mich in allen Punkten schuldig. Und ich möchte hinzufügen, es tut mir leid, es tut mir sogar sehr leid.« Sie wirkte nicht sehr schuldbewusst, aber ich zweifelte nicht daran, dass sie es ernst meinte.
    Durch Kowalskis und Fassbenders Reaktionen vorbereitet, wollte ich diese Aussage noch nicht als Eingeständnis werten, sie sei tatsächlich die Kontakteinheit. So beschränkte ich mich darauf, sie fragend anzuschauen.
    »Mensch, Marc, guck mich nicht so an! Was erwartest du denn von mir? Natürlich habe ich Kowalski alles gesagt, was ich wusste. Schließlich hat er mich deshalb auf

Weitere Kostenlose Bücher