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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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dich angesetzt. Ich hatte sogar freie Hand, mit dir zu schlafen, ob virtuell oder real, das war meine Entscheidung.« Sie leerte mit einem großen Schluck ihr Glas und stellte es auf den Tisch zurück. »Tolle Freiheiten, nicht wahr? Und wenn du willst, können wir es immer noch, auch wenn mein, nennen wir es Auftrag, bereits abgeschlossen ist.«
    Ich zog es vor, nicht zu antworten.
    »Ich konnte doch nicht ahnen...« Sie schlug die Beine übereinander und zog den Saum ihres Kleides ein Stück tiefer.
    Eine Weile blieb es still, schließlich fragte ich: »Woher wusstest du...?«
    »Von der Blauen Lagune . Das war Kowalskis Idee. Durch die Parallelschaltung erfolgt eine Synchronisierung der Gedankeninhalte. Frag mich nicht, was das ist, aber man kriegt einiges vom anderen mit. Ist es dir nicht auch so ergangen?«
    Ich hatte nicht den Eindruck, dass mir Kerstin durch das gemeinsame Erlebnis in der virtuellen Bucht näher gekommen war, schon gar nicht hatte ich ihre Gedanken lesen können. Aber was sie sagte, klang plausibel. Das Vorgehen ähnelte jenem in unserer Empathieschaltung. Und schließlich förderte ein gewisser Grad an Verschmelzung die Zufriedenheit der Kunden beiderlei Geschlechts, wenn sie sich zu einem gemeinsamen Abenteuer aufmachten.
    »Und was hast du in meinen ... Gedanken gelesen?« Nicht auszudenken, wenn sie noch mehr in Erfahrung gebracht hatte als meine harmlosen Vorbehalte gegen Kowalski und seine politischen Machenschaften. Doch was hatte ich zu jenem Zeitpunkt gewusst? Die Augen hatte mir erst Löwitsch vor wenigen Stunden geöffnet.
    »Na ja, gelesen. Es ist mehr ein Gefühl, verstehst du? Du misstraust Kowalski, du verachtest ihn, du hältst ihn für einen skrupellosen Machtmenschen, für jemanden, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist, für einen größenwahnsinnigen Egoisten.« Sie verzog das Gesicht, ob zu einem Lächeln oder zu einer angewiderten Grimasse konnte ich nicht entscheiden. »Und, unter uns, du hast in jedem einzelnen dieser Punkte zu einhundert Prozent recht.« Sie erschauderte kurz, fuhr aber dann ruhiger fort. »Aber was weißt du schon über ihn? Wenn du nur halb so viel wüsstest wie ich...«
    »Warum...«
    »Warum ich mit ihm zusammen bin?« Sie lachte leise auf. »Ich bin nicht mit ihm zusammen. Denn das würde bedeuten, dass ich eine Wahl hätte, dass ich mich für oder gegen ihn entscheiden könnte.« Sie sah mir in die Augen. »Nein, Marc, ich gehöre ihm. Das ist alles. Ich gehöre ihm wie eines der Bilder dort an der Wand. Nur, dass jedes dieser Bilder wertvoller ist als ich. Und auch schöner...«
    Sie schien in Selbstmitleid abzugleiten, und ich begann mir Sorgen zu machen, wie sich unser Gespräch weiterentwickeln würde. Doch dann setzte sie sich auf, schenkte sich ein neues Glas ein, und ein verschmitztes Lächeln hob ihre Lippen, zauberte ein Grübchen in ihr Kinn.
    »Genug gejammert, genug geheult. Ich habe mir vor vielen Jahren dieses Leben ausgesucht. Damals hatte ich eine Wahl. Ich habe nur den Absprung verpasst. Immer habe ich gewartet, immer habe ich gehofft...«
    »Es ist noch nicht zu spät.«
    »Doch, Marc, es ist zu spät, es ist schon so lange zu spät, dass ich vergessen habe, wann ich hätte umkehren können. Weißt du, er hat mich in der Hand. Er hat mich in der Hand, so wie er viele Menschen in der Hand hat. Vielleicht hast du Glück, dass er dich fallen lässt. Vielleicht solltest du ihm dafür dankbar sein.«
    Noch bevor ich darauf antworten konnte, sprang der große Tischkommunikator an. Das Gesicht eines jungen Mannes in Anzug und Krawatte erschien. Keine Frage, es war ein Interviewer.
    »Frau Kerstin Klier?«
    Kerstin tat überrascht, doch ich bemerkte, wie ihr Blick die Zeitanzeige ihres persönlichen Kommunikators streifte. »Ja, was wünschen Sie?«
    »Ich habe eine Befragung der Kategorie B2 für Sie.«
    Eine recht hohe Dringlichkeit also. Das erklärte auch, warum sich der Kommunikator von selbst eingeschaltet hatte. Ich fragte mich, wie Kerstin sich da herauswinden wollte, und überlegte schon, mich vorzeitig auf den Heimweg zu machen.
    »Wie lange wird diese ... Befragung denn ungefähr dauern?« Ihre Stimme klang harmlos.
    »Nicht mehr als 30 Minuten, denke ich. Je schneller wir anfangen, desto schneller sind wir fertig. Also, zuerst frage ich Sie...«
    »Einen Augenblick, warten Sie. Wie spät ist es gerade?«
    Der Schnüffler schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht, fing sich aber schnell wieder. Er sah auf seinen

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