Der Sixtinische Himmel
bei den Schultern und schob sie eine Armeslänge von sich weg. »Sag mir, was ich tun soll!«
Behutsam streifte sie seine Arme ab. »Was hat Alexander getan, um Karl aus Italien zu vertreiben?«
»Alexander?«, Julius spuckte den Namen seines Vorgängers förmlich aus. »Er hat das Reich der Kirche vor die Hunde gehen lassen!«
»Aber hat er nicht auch eine Allianz geschmiedet, die Karl aus dem Land gejagt hat?«
Julius wischte den Einwand mit einer brüsken Handbewegung beiseite. »Er hat mehr Sünden begangen, als in der Bibel aufgezählt sind.«
»Dennoch war er ein kluger Mann.«
Der Papst schnaufte verächtlich. Aber er erhob keine Einwände.
Aphrodite sprach mit der Überlegenheit eines kühlen Kopfes. »Schlau genug jedenfalls, um Euch das Pontifikat abzujagen. War es nicht so?«
»Du meinst, auch ich sollte eine Allianz bilden?«
»Was meint Ihr?«, gab Aphrodite zurück.
»Alexanders Allianz hat nicht verhindern können, dass Karl in Rom einmarschierte und sich der spanische Fettsack in der Engelsburg verkriechen musste.«
»Wann hat er seine Allianz gebildet?«
»Nachdem Karl Neapel erobert hatte«, gestand Julius ein.
Aphrodite schwieg. Sie wusste, wann sie hinter ihrem Herrscher zurückzustehen hatte, um ihm die Illusion seiner göttlichen Auserwähltheit zu erhalten.
»Ich sollte sofort darangehen, eine eigene Allianz zu bilden«, schloss Julius.
Aphrodite schmiegte sich an ihn. »Eine heilige Allianz.«
Aurelio fuhr ein glühendes Messer in die Brust, als er sah, wie die fleischigen, golderstickten Finger des Papstes sich in die seidigen Pobacken Aphrodites gruben.
»Eine heilige Allianz«, wiederholte er.
Aphrodites Arme waren inzwischen vollständig in Julius’ Umhang verschwunden. »Zuvor könnten wir beide eine unheilige Allianz bilden«, flüsterte sie.
Julius deutete mit dem Kinn in Richtung des Wandbehangs. »Aber nicht unter den Augen meines unseligen Vorgängers.«
»Kommt«, hauchte Aphrodite.
Mit einem letzten, funkelnden Blick zurück schob sie den Papst vor sich her aus dem Gemach.
* * *
Langsam drehte Aphrodite ihr Spielbein nach außen, ließ die Hand, die ihre Brust bedeckte, ihren Bauch hinab und entlang der Leiste zu ihrer Scham gleiten. Aurelio glaubte, der Jaguar auf der anderen Seite des Wandbehangs müsse das Blut in seinen Bahnen kreisen hören, so laut pochte es ihm in den Ohren. Aphrodites Brüste hoben und senkten sich in unterdrückter Wollust, ihre Nüstern bebten.
Der Vorfall mit Julius hatte weder sie noch Michelangelo davon abhalten können, die Zeichenstudien fortzusetzen. Statt ihnen eine Warnung zu sein, schien er sie in ihrem Vorhaben noch bestärkt zu haben. Als wären sie sakrosankt, ihre Mission größer als der Machtbereich des Papstes. Aphrodites Hunger danach, von Michelangelo begehrt zu werden, hatte sich im Verlauf der letzten Tage zu einer Obsession gesteigert. Der Papst mochte der mächtigste weltliche Herrscher sein, doch Michelangelo war der Beherrscher der Kunst. Und dass der Bildhauer sich an nichts anderem interessiert zeigte, als sie für seine Skizzen zu gebrauchen, stachelte sie nur umso mehr an. Kein Mann hätte ihr widerstanden. Nur Michelangelo, ausgerechnet er, zeigte sich gegen ihre Verlockungen immun.
»Ich sehe Eure wahre Schönheit.« Aphrodites dunkle Stimme raspelte wie eine Feile über Marmor. »Julius darf nur glauben, mich zu besitzen. Euch jedoch würde ich mich selbstlos hingeben.«
»Ihr würdet niemals etwas ohne Berechnung tun«, entgegnete Michelangelo.
»Wie grausam das sein muss«, überlegte Aphrodite, »sich aus Angst vor den eigenen Gefühlen zur Kaltherzigkeit zu zwingen. Ihr würdet Euch niemals gestatten, mich zu lieben, nicht wahr? Stattdessen sucht Ihr Zuflucht in Eurer Kunst. Ihr liebt nur das, was Ihr in mir seht.«
Michelangelo blieb scheinbar gelassen: »Wir lieben am anderen immer nur, was wir in ihn hineinsehen. Alles andere ist eine Lüge.«
Jede Zurückweisung von seiner Seite goss zusätzliches Öl in Aphrodites Feuer. »Aber dadurch entgeht Euch das Beste. Wollt Ihr nicht kosten, wovon Julius gekostet hat, nicht in Besitz nehmen, was nur er zu besitzen sich einbildet? Wie könnt Ihr glauben, meinen Körper zu verstehen, wenn Ihr ihn niemals berührt habt?«
»Jeder Tropfen Fleischlichkeit, den ich Euch opferte, würde der Statue später fehlen.«
»Ihr würdet es als Opfer betrachten?«
Michelangelo antwortete nicht. Er war mit Zeichnen beschäftigt. Das Gespräch lenkte ihn nur
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