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Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Morell
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und unbeeindruckt blieb, war die Sixtinische Kapelle. Was auch immer sich künftig auf dem Colle del Vaticano abspielte, welche Gestalt der Vatikan auch annahm – die Sistina würde keinen Fingerbreit weichen. Michelangelos Fresko hätte auf Jahrhunderte Bestand.
    Am meisten zog der Papstpalast Aurelios Interesse auf sich. Das allerdings hatte weniger mit den Umbauarbeiten zu tun, als vielmehr damit, dass Aphrodite darin leben sollte. Margherita, die es als Teil ihrer Profession ansah, alles über jeden zu wissen und gesellschaftliche Informationen von potentiellem Wert wie Reliquien zu verwahren, hatte ihm während einer ihrer Liebesnächte anvertraut, dass »die, die nicht existiert, in den Räumen wohnt, die niemand bewohnt«. Offiziell freilich standen die Gemächer im ersten Stock leer. Von außen betrachtet deutete nichts darauf hin, dass dort jemand wohnte. Die Läden waren meist geschlossen, und sofern sie – in den frühen Morgen- und den späten Abendstunden – geöffnet wurden, waren die Fenster stets mit Stoffen verhangen, die jeden Blick ins Innere unmöglich machten.
    * * *
    Bekannt war nur, dass Julius sich nach seiner Wahl zum Papst 1503 geweigert hatte, die Räume seines verhassten Vorgängers zu beziehen. Dafür hätte bereits der Umstand ausgereicht, dass Alexander dem Geschlecht der Borgias entstammte und Julius ein della Rovere war. Doch die Feindschaft dieser beiden war zudem eine persönliche Angelegenheit. Als Neffe von Papst Sixtus war Julius eine glanzvolle klerikale Karriere beschert gewesen. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er seinem Onkel auf den Papstthron folgen würde. Doch nach dessen Tod dauerte es fast zehn Jahre, bis sich bei dem Konklave 1492 endlich Alexander und Julius gegenüberstanden. Es gewann der, der sich aufgrund seines irdischen Reichtums mehr Stimmen sichern konnte: Alexander. Kaum war er gewählt, entließ er Julius, damals noch Giuliano della Rovere, aus sämtlichen Ämtern. Er versuchte sogar, ihn vergiften zu lassen. Darin war er geübt. Der Kardinal von Pavia allerdings, Francesco Alidosi, konnte den Anschlag vereiteln. Julius machte das Einzige, das ihn am Leben zu erhalten vermochte: Er exilierte nach Frankreich. Seine Laufbahn als Kleriker schien besiegelt.
    Weitere zehn Jahre später bot sich die Chance auf Vergeltung. Am 18. August 1503, einem selbst für römische Verhältnisse ungewöhnlich heißen Tag, wurde Alexander endlich von seinen zahllosen Sünden heimgesucht, quoll innerhalb kürzester Zeit auf wie eine Unke, verfärbte sich schwarz und verbreitete einen Geruch, der dazu führte, dass sich jeder, der in seine Nähe kam, übergeben musste. Bevor der Tag vorüber war, hatte sich der Teufel seine Seele geholt. Endlich schlug die Stunde des Giuliano della Rovere. Die erforderlichen Stimmen kosteten ihn ein Vermögen, doch die Investition zahlte sich aus. Am 1. November, nach einem Konklave von nur einem Tag, war aus Giuliano della Rovere Papst Julius II. geworden. Zwar war er zu diesem Zeitpunkt bereits fast sechzig Jahre alt und litt, wie jeder wusste, an der Franzosenkrankheit, doch seine robuste Konstitution und sein unbeugsames Naturell schienen stärker als jede Krankheit.
    Die späte Genugtuung, seinen Vorgänger überlebt zu haben, genoss Julius auf eine Weise, wie man es von einem Mann seines Temperaments erwarten durfte. Er löschte Alexander aus. Wo immer sein Name auftauchte, ließ er ihn beseitigen, so auch in sämtlichen Dokumenten. Paris de’ Grassi, der pingelige Zeremonienmeister und Chronist, war über Wochen mit nichts anderem beschäftigt. Porträts, die Mitglieder der Borgias zeigten, wurden verhängt oder fortgeschafft. Um die Gemächer seines Vorgängers zu tilgen, hätte Julius jedoch den Palast abreißen lassen müssen. Folglich musste eine andere Lösung her.
    Alexander hatte Pinturicchio damit beauftragt, die Appartamenti Borgia im Palast mit Fresken auszuschmücken, die den christlichen Glauben ebenso verherrlichen sollten wie den Pontifex. Entsprechend waren sie mit Bezügen auf Alexander und seine Sippe durchsetzt. Von überall stach einem das Familienwappen der Borgia ins Auge, auf jeder zweiten Wand hatte der Spanier unseligen Angedenkens sich selbst verewigen lassen, und die heilige Katharina von Alexandrien im Saal der Heiligenviten war niemand anderes als die von Alexander inzestuös geliebte Tochter Lucrezia.
    De’ Grassi schlug Julius vor, die Bilder übermalen und die Fresken abschlagen zu

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