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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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unsicher.
    »Sag mal«, seine Stimme klingt auf einmal kühl, »Muller hat dich doch beurlaubt, oder?«
    »Und?«, fragt sie herausfordernd.
    Er tut verwundert. »Solltest du nicht bei deinem Sohn sein?«
    Sie sieht ihm unbeeindruckt in die Augen. »Du hast zwei Tage, Brewer. Wenn du ihn bis dahin nicht hast, suche ich ihn.«
    »Ich mag es nicht, wenn man mir droht, Andersson.« Er dreht sich um und geht zur Tür.
    Vielleicht wird er zu Muller gehen und es ihr sagen. Vielleicht aber hat sie auch seinen Ehrgeiz angestachelt und seinen Stolz angefacht. Es ist ihr egal. Hier geht es nur um eins.
    Sie nickt Rob und Ed zu und geht.
    Im Aufzug atmet sie erst einmal durch. Ihre Mutter ist bei Jay. Trotzdem fühlt sie sich unruhig. Muller hat recht, denkt sie, sie sollte bei ihrem Sohn in der Klinik sein.
    Der Aufzug hält im ersten Stock. Ein Putzwagen mit bunten Staubwedeln und Schrubbern und Besen wird hereingeschoben. Dahinter entdeckt Christina einen schwarzen Pferdeschwanz.
    »Oh!« Es ist Maria-José, die Putzfrau, die beiden begegnen sich fast jeden Tag. Christina hat ihr vor zwei Jahren geholfen, die vielen Dokumente für die Immigration auszufüllen, und Maria-José hat sich mit selbst gemachten Tacos und Empanadas revanchiert, von denen Jay gar nicht genug kriegen konnte.
    » Pobrecita – meine arme Christina!« Maria-José lässt den Putzwagen los, fällt ihr um den Hals und gibt ihr einen Kuss auf die Wangen. » Que lastima! Ich habe es gehört, es ist so schrecklich, lo siento muchissimo , es tut mir so leid, so leid!« Maria-José ist Mexikanerin und entsprechend überschwänglich. »Ich habe immer die Sendungen mit deinem Bruder gesehen. Und so viel Englisch dabei gelernt!« Sie wischt sich über die feuchten Augen.
    Christina nickt nur.
    »Und Jay, deinem Sohn? Wie geht es ihm?«
    »Er hat viel Blut verloren, sie mussten ihm einen Teil der Lunge entfernen, und die Ärzte sagen, dass er noch nicht über den Berg ist …«
    »Christina, hija mia , ich bete für ihn … Er ist ein starker Junge mit einer starken Mutter …«
    »Danke, Maria-José …«
    »Ich bete. Todo va salir bien! Alles wird gut werden!«
    Christina muss schlucken, sie kämpft gegen die Tränen. In diesem Augenblick gleiten die Aufzugtüren auseinander. Maria-José umarmt sie noch einmal, dann zieht sie den Putzwagen hinaus auf den Flur.
    Die Türen schließen sich wieder, aber der Aufzug bleibt stehen. Wie lange, weiß Christina nicht. Irgendwann drückt sie auf den Knopf, der Aufzug setzt sich in Bewegung, sie fährt hinunter bis ins Erdgeschoss.
    Erst als sie hinaustreten will, spürt sie, dass sie zittert.
    In Gedanken versunken verlässt Christina das Gebäude und geht auf ihren Wagen zu, den sie auf der anderen Straßenseite geparkt hat.
    Plötzlich hört sie ein Hupen, und sie erschrickt.
    Ruth Muller sitzt seit fast fünf Minuten in Stan Milosz’ Büro und weiß immer noch nicht, worauf der Chief of Police hinauswill.
    Er hat sie schon immer an diesen polnischen Papst erinnert, mit seinen schmalen Augen, der spitzen Nase und dem schiefen Grinsen. Automatisch ahnt man, dass er etwas im Schilde führt. Milosz liebt den großen Auftritt und genießt den Beifall. Sie ist sicher, er würde auch einen guten Papst abgeben. Milosz, der es von ganz unten geschafft hat. Bauernschlau, wie er ist, hat er sich mit den jeweils Mächtigen verbündet, mal mit den Gewerkschaftlern, mal mit den Konservativen, und er hat es irgendwie geschafft, sich auf beiden Seiten Freunde zu machen und Seilschaften zu knüpfen.
    Hoffentlich hört er endlich auf mit den leeren Floskeln, denkt Muller. Warum erkundigt er sich nach Adams neuen Projekten, und warum erzählt er irgendetwas über seine Tochter, die angefangen hat in Florida zu studieren? Sie will ihn gerade fragen, weswegen sie hier ist, als er übergangslos sagt:
    »Erinnern Sie sich noch an Detective Scott? Es muss jetzt vier oder fünf Jahre her sein. Da waren Sie doch schon hier, nicht wahr?«
    Muller lässt sich nichts anmerken. »Ich bin seit zwölf Jahren hier.«
    »Natürlich!« Er greift sich an die Stirn, und Muller fragt sich, warum er sich ihr gegenüber so produzieren muss. »Wie die Zeit vergeht! Ich habe Sie ja damals für die Mordkommission vorgeschlagen!« Er beugt sich vor, legt die Arme auf die Schreibtischplatte und faltet die Hände. »Sie haben den Posten bekommen, weil ich Ihrem Urteilsvermögen vertraut habe. Und ich vertraue auch diesmal darauf, dass Sie die richtigen

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