Der Skandal (German Edition)
Entscheidungen treffen.«
Sie reagiert nicht.
»Wir alle haben Detective Scott sehr geschätzt, nicht wahr?«, nimmt er einen neuen Anlauf.
Erwartet Milosz darauf wirklich eine Antwort?
Seine Mundwinkel zucken, ein sicheres Zeichen, dass er allmählich die Geduld verliert. Sie weiß das, sie kann damit umgehen. Sie hat schon ganz andere Gegner gehabt.
Also lehnt sie sich auf dem Stuhl vor seinem massiven Schreibtisch zurück und fragt sich, ob die vielen Akten, die sich links und recht von ihm auftürmen, Zeichen mangelnder Organisation sind oder Demonstration seiner Tüchtigkeit und Macht.
»Wer hat Detective Scott damals beurlaubt?«, redet er weiter.
»Manzoni.«
»Richtig! Manzoni.« Milosz schüttelt den Kopf und seufzt aufgesetzt. »Das hat Scott die Karriere gekostet …«
Soll er doch endlich zur Sache kommen!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schlägt er unvermittelt einen anderen Ton an. »Detective Scott hat geglaubt, er kann die Sache selbst in die Hand nehmen, wie Sie ja wissen, Muller. Und er hat vier Menschen erschossen, darunter zwei Familienväter. Beide waren unschuldig. Sie erinnern sich doch, Muller?«, fragt er etwas schärfer.
Jetzt weiß sie, worauf er hinauswill. »Wenn Sie auf Detective Andersson anspielen, muss ich Ihnen entschieden …«
»Ach kommen Sie, Muller!«, fällt er ihr laut und mit großer Geste ins Wort. »Andersson war heute hier im Haus …«
»Ich habe ihr kein Hausverbot erteilt«, wirft Muller ein.
»Sie wissen genau, was ich meine! Sie und ich kennen Andersson gut genug. Sie wussten doch, dass das passieren wird.«
»Das ist eine Unterstellung …«
»Machen Sie ihr gefälligst klar, und zwar sofort, dass sie sich um ihr Kind kümmern soll! Das Letzte, was ich brauche, ist eine rachsüchtige Mutter und Polizistin!«
Sie will etwas erwidern, aber er lässt sie nicht zu Wort kommen. »Wir müssen auch an die Presse denken, Muller. Die wartet doch nur auf einen Fehler von uns!«
»Aber …«
»Wir wären dann fertig, Muller«, sagt er nur.
Allein dafür wünscht sie ihn in die Hölle. Sie schluckt eine Entgegnung hinunter und geht.
Während sie zurückgeht in ihr Büro, denkt sie nach. Als Erstes muss sie herausfinden, was an seiner Behauptung dran ist, dass Andersson sich ihren Anweisungen widersetzt. Sie schätzt Anderssons Hartnäckigkeit, deren sehr gute Statistik, ja, seit Andersson ist die Statistik der ganzen Abteilung endlich positiv. Aber da ist auch diese andere Seite von Andersson, diese unbeherrschte, impulsive Art. Zweimal hat sie Andersson in den letzten drei Monaten verwarnt, weil sie ihre Anweisungen einfach ignoriert hat. Wenn Andersson nicht schließlich doch den Mörder der kleinen Charlene gefunden hätte, hätte Muller dafür gesorgt, dass Andersson eine Weile nicht rausdarf. Sie weiß, dass das das Schlimmste ist für alle guten Cops. Muller selbst ist da eine Ausnahme. Sie hat sich auch nie als richtigen Cop gesehen, eher wie eine Richterin mit gewissen Befugnissen …
Sie schrickt aus ihren Gedanken auf. Jemand ist an ihr vorbeigegangen und hat sie gegrüßt. Sie dreht sich um.
Nolan Brewer.
Sie denkt kurz nach. Sehr gut. Er kann ihr nützlich sein, denn es hat ihm bestimmt nicht gefallen, dass ausgerechnet Andersson beim Charlene-Brickerton-Fall die Lorbeeren eingeheimst hat. Er wird darauf brennen, Andersson in die Schranken zu weisen.
»Brewer!«, ruft sie. »Ich muss Sie sprechen! In meinem Büro.«
Ein glänzender dunkler Cadillac mit getönten Scheiben hält neben Christina. Das Beifahrerfenster fährt herunter. Der Typ könnte ein Verwandter von Travis Raymond sein, Irokesenfrisur, Goldkette, schwarze Lederjacke. Rapper. Ein Auge ist geschwollen. Sein Partner am Steuer ist kahl rasiert und trägt eine verspiegelte Sonnenbrille.
In Christina strafft sich alles. Was kommt jetzt: eine Warnung? Venganza … Sie spürt ihre Waffe, wie sie gegen die Rippen drückt.
»Christina Andersson?«, sagt der Typ auf dem Beifahrersitz mit kehliger Stimme und zeigt rappermäßig mit Zeigefinger und kleinem Finger auf sie. »Big Dee will dich sehen.« Ein Goldstückchen in seinem Schneidezahn blitzt auf.
»Warum?«, blafft sie ihn an.
»Hey, Darling, das wird er dir schon selbst sagen!« Goldzahn deutet lässig mit dem Daumen über die Schulter. »Steig ein!«
»Sag Big Dee, ich hab jetzt keine Zeit.«
»Big Dee ist sehr wählerisch mit seinen Einladungen. Und erst recht bei einer weißen Braut, Darling!«
»Er soll mich
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