Der Skandal (German Edition)
auch Erfolge.
»Captain«, sagt sie also und hält Mullers Blick stand, »ein spektakulärer Erfolg würde Ihnen doch auch von Nutzen sein. Ich meine, Milosz wird sich nicht ewig in seinem Büro den Hintern platt sitzen.«
Jetzt hat sie einen Fehler gemacht.
»Detective Andersson, was der Chief of Police in seinem Büro tut oder nicht tut, ist nicht Ihre Angelegenheit«, sagt sie knapp. »Befolgen Sie meine Anweisungen. Wir verfolgen jede Spur. Und Sie brauchen Ruhe.«
Christina schluckt, sie schluckt all das hinunter, was sie eigentlich loswerden will. Während Muller sie nur ansieht und wartet. Die Unterredung ist beendet – Christina steht auf.
»Dr. Joffe ist ein fähiger Chirurg, ich kenne ihn persönlich«, sagt Muller, da ist Christina schon an der Tür. »Ihr Sohn ist bei ihm in den besten Händen.«
Für einen ganz kurzen Moment hat Christina den Eindruck, dass Muller die Sache nahegeht. Sie dreht sich um, aber da hat Captain Muller sich schon wieder in ihre Arbeit vertieft.
Christina schiebt ihre Gedanken hin und her und kommt immer wieder zu demselben Ergebnis: Sie kann sich nicht raushalten.
Entschlossen geht sie in ihr Büro. Alles ist so vertraut, die Schreibtische, die Sichtblenden mit den Notizzetteln, das leise laufende Radio, die altersschwache gurgelnde Kaffeemaschine, der Geruch nach Teppichboden, nach Druckertoner und Kaffee – und nach den Kollegen, die gerade Dienst haben: eine eigentümliche Mixtur aus Körpergerüchen und Aftershaves. Seltsam, heute kommt ihr alles verändert vor. Als wäre sie Jahre weg gewesen.
Ed und Rob sind da, Gary und Aaron sind offenbar unterwegs. Es ist ihre Schicht. Sie säße jetzt hier. Wenn das alles nicht passiert wäre.
»Chris!« Ed schluckt einen Bissen von seinem Sandwich hinunter und springt auf, neben ihm steht ein Becher Kaffee. Katerfrühstück, denkt sie, die Feier in der Bar, die war ja erst letzte Nacht. »Wie geht es Jay?«
Sie lässt sich auf ihren Drehstuhl fallen und wiederholt das, was sie auch Aaron gesagt hat. Sie sagt es sachlich, ohne Emotion, denn wenn sie die jetzt zulassen würde, müsste sie heulen. Und das will sie nicht. Nicht hier. Nicht vor ihren Kollegen.
»Verdammte Scheiße«, murmelt Rob, unter dessen massigem Körper der Schreibtischstuhl jeden Moment zusammenzubrechen droht. Rob sieht wie immer aus, die Nacht war mal wieder kurz, er hat nur zwei Minuten gehabt für duschen, rasieren und frische Sachen anziehen. Trotz seiner dunklen Hautfarbe wirkt er blass heute Morgen.
Hier weiß jeder, was ein Lungensteckschuss bedeutet. Letztes Jahr ist Zack aus der anderen Schicht daran gestorben, erinnert sich Christina.
»Jay ist ein kräftiger Junge«, schiebt Rob hinterher. Er hat gerade einen Donut gegessen und wischt sich die klebrigen Hände an seiner Hose ab.
»Ja«, pflichtet Ed ihm bei, »er ist doch gut in Sport oder? Und bei der Mom! Er wird wieder und …«
»Sie haben ihn ins künstliche Koma versetzt«, wirft Christina dazwischen.
Keiner sagt etwas darauf.
Ironman Ed hat sein Sandwich weggelegt und deutet auf die Kaffeemaschine am Fenster.
Christina schüttelt den Kopf. »Ich muss erst was essen.«
Rob schiebt ihr eine Tüte über den Tisch. »Truthahn. Hab’s noch nicht angerührt.«
Sie überlegt nicht lange. Plötzlich hat sie das Gefühl, umzukippen, wenn sie nichts isst.
Ed holt ihr einen Kaffee. »Wenn er im Koma liegt, können wir ihn nicht fragen, was er gesehen hat.« Er setzt sich auf die Kante von Christinas Schreibtisch.
»Nein«, sagt sie und nippt am heißen Kaffee.
»Scheiße«, sagt Rob wieder und schüttelt den Kopf.
»Das mit deinem Bruder …«, fängt Ed zögernd an, »tut mir leid.«
»Ja«, sagt Rob. »Rhianna, meine Ex, hat ihre ganzen Sprüche aus seiner Sendung. Schizoid hat sie zu mir gesagt, oder zwanghaft … «
»Damit konnte er ganz schön nerven …« Christina denkt dran, wie er sie bezeichnet hat: paranoid , manisch – und sie hat gelacht, auch weil er recht hatte.
»Und«, Ed wischt sich die Hände an einer Serviette ab, »du bist auf Eis gelegt, oder?«
Sie nickt nur. Hastig isst sie das Sandwich und spült mit Kaffee nach. »Muller will mich zu ’nem Seelenklempner schicken.«
Ed zuckt mit den Achseln. »Das ist normal. So läuft das nun mal.«
»Hast du deine Marke noch und deine Knarre?«, will Rob wissen.
»Ja.«
»Also bist du nur beurlaubt«, stellt Ed fest.
»Was heißt nur? Ich bin raus!«, sagt sie voller Wut.
Rob hebt beschwichtigend die
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