Der Skandal (German Edition)
Hände. »Easy, Chris! Schlimmer wär, sie hätte dich gleich suspendiert.«
Auch wieder wahr, denkt sie. Es gibt immer eine schlimmere Variante. Nur bei Tim nicht mehr.
»Aaron ist gerade dabei, Raymond auf den Zahn zu fühlen«, sagt Ed.
Rob brummt. »Ich hab da so meine Zweifel, ob Aaron der Richtige für den Job ist.«
»Wieso?«, fragt Christina.
»Nichts gegen unseren nice guy«, sagt Ed rasch, »er ist dein Partner, ja, aber du musst zugeben: Er ist ein ziemliches Weichei. Ist ja manchmal nicht schlecht, manche stehen auf diese verständnisvolle Tour und das Ich-versteh-dich-du-hattest-eine-schwere-Kindheit-Gesabber, aber in dem Fall …«
»Die Jungs im Knast verarschen den doch nach Strich und Faden«, fällt Rob ihm ins Wort.
»Er hat einfach die Sprache von denen nicht drauf«, sagt Ed und rutscht von der Tischkante. Er streckt sich und ächzt dabei. »Solchen Kerlen wie Raymond muss man die Scheiße aus ihrem bisschen Hirn rausprügeln, bis die mal was ausspucken!«
Sie haben natürlich recht. Sie schluckt den letzten Bissen vom Sandwich hinunter. »Und was schlagt ihr vor?«
Rob und Ed sehen sich kurz an.
»Wir haben einen Typen im selben Bau«, Ed senkt die Stimme, dabei ist außer ihnen keiner im Raum, »der wartet nur drauf, dass er uns einen Gefallen tun kann. Diese Schweine verpfeifen sich doch gegenseitig, wenn sie dadurch ihren eigenen Arsch retten können.«
»Und der soll sich an Raymond ranmachen?«, sagt sie.
Ed und Rob nicken.
»Okay.« Christina knüllt die Tüte zusammen. »Ich will den Kerl«, sie sieht den beiden in die Augen, »egal, auf welchem Weg.«
Die beiden nicken, und sie hat zum ersten Mal das Gefühl, dass sie zu ihnen gehört, dass ihr Ehrencodex ab jetzt auch sie einschließt: Kriegt ein Cop oder dessen Familie was ab, kennen die anderen Cops kein Pardon.
»Wir kriegen ihn«, sagt Ed, und Rob sagt: »Und dann reißen wir ihm den Arsch auf.«
»Danke, Jungs. Aber seid vorsichtig! Macht es nicht zu auffällig! Ihr wisst, Muller sitzt mir im Nacken.« Es bewegt sie, wie Ed und Rob, diese derben Typen mit ihren coolen Sprüchen, ihren Arsch für sie riskieren wollen. »Gebt mir Bescheid, ja?«
»Geht klar, Chris«, sagt Ironman.
Sie will gerade zu den Aufzügen gehen, als jemand über den Flur näher kommt.
»Amen«, brummt Rob, und Ed sagt: »Halleluja.«
Nolan Brewer, wie immer tadellos frisiert und angezogen – grauer Anzug, weißes Hemd, passende Krawatte. Wie Muller hat er eine rasante Karriere hingelegt. Er ist jünger als sie, und er hat es noch nicht zum Captain geschafft, aber als Lieutenant lässt er keine Gelegenheit aus, um zu demonstrieren, dass er eigentlich längst Captain sein sollte. Über seine Ambitionen, der jüngste Chief of Police zu werden, wird überall im Haus geredet, und die meisten glauben, an dem Gerücht ist was dran. Brewer wirkt immer irgendwie angestrengt und bemüht, als hätte er eine Liste, wie er sich zu verhalten hat, um bei den richtigen Leuten Eindruck zu schinden. Ihm fehlen Mullers Gewandtheit, Selbstsicherheit und Unnahbarkeit, die sie einsetzt, um einschüchternd zu wirken. Bei Brewer weiß man nie, woran man ist.
»Chris!« Brewer tut überrascht.
»Hi, Nolan«, sagt Christina und will sich an ihm vorbeischieben.
Aber er ist schneller: »Ich möchte dir im Namen der ganzen Abteilung unser Beileid aussprechen für deinen schmerzlichen Verlust«, er gestikuliert übertrieben, »Gott allein …« Seine Augen haben diesen missionarischen Glimmer, über den sie sich in der Schicht öfter lustig machen.
Rasch fällt sie ihm ins Wort: »Danke. Du übernimmst die Ermittlungen, hat Muller gesagt.«
»So ist es.« Er nickt würdevoll. Pater Nolan nennen sie ihn hinter seinem Rücken, nicht nur weil er und seine Frau sich in der Lutherischen Gemeinde engagieren, sondern weil er jeden missionieren will. Seine Großeltern sollen tatsächlich Missionare in Australien gewesen sein und Aborigines getauft haben, heißt es. Aber Christina ist nicht ganz sicher, ob das nicht nur ein Gerücht ist.
Ob Gott seine Hand im Spiel hat?, denkt sie spöttisch. Wie sonst hätte er es so schnell zum Morddezernat geschafft und dann auch noch zum Lieutenant?
»Ich muss dir nicht sagen, dass wir alles tun werden, um den Schuldigen zu finden.«
»Nein, Nolan, musst du nicht.« Sie riecht teures Aftershave und Mundwasser. »Denn wenn du ihn nicht findest, werde ich ihn finden.«
Das hat gesessen.
Sein Lächeln kommt ein wenig
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