Der Skandal (German Edition)
mit großen Schritten entgegen. Sein Gesichtsausdruck verrät Besorgnis. Er trägt Joggingklamotten, keine eng anliegenden, wie sie heute modern sind, sondern alte, uramerikanische Sachen von Fruit of the Loom . Und die auch noch in Grau. Das gefällt Ochs.
Gut gelaunt sagt er: »Hallo Charly, wie viele Meilen sind Sie gelaufen?«
»Ich? Oh, zu viel Schnee und Eis auf den Wegen. Ich glaube, es waren nicht mehr als zwei. Gut, dass Sie gleich kommen konnten.« Frenette hat einen festen, sportlichen Händedruck, auch das gefällt Ochs.
»Ich war bei meiner Mutter. Sie hatten Glück. Sie wohnt unten am See.«
»Schön, schön. Hören Sie, Carl … Ich fürchte, wir kriegen noch ein Problem.«
Frenette hat eine gesunde Gesichtsfarbe. Seine grauen Haare trägt er modisch kurz geschnitten. Er wirkt sympathisch, vertrauensvoll und erfolgreich. Er ist genau der Typ Unternehmer, den Ochs in seinem Dunstkreis braucht.
»Haben Sie was zu trinken hier?«, fragt Ochs. »Corned Beef in allen Ehren, aber mit Wasser schmeckt es einfach nicht.«
Frenette verzieht das Gesicht. »Wie wär’s mit einem Scotch?«
»Perfekt.«
Ochs folgt Frenette einen Gang entlang. An den Wänden hängen Fotos von abgetragenen Bergrücken und von mit Erde und Steinen beladenen Trucks, dazwischen Großaufnahmen von verschiedenen Gesteinsbrocken.
Obwohl er sich in der letzten Zeit mit Erzförderung und Mineralien beschäftigen musste, kann er sich kaum die nach Science-Fiction klingenden Namen merken: Cer und Ytrium, Holmium und Promethium. Und Neodym. Dabei hat er eigentlich ein exzellentes Gedächtnis.
»Wie geht’s oben in Ashland?«, fragt er.
Frenette dreht sich um. »Gut, alles läuft perfekt.«
Sie gehen in Frenettes Büro. Hinter der großen Glasscheibe erkennt Ochs in der Ferne die Hochhäuser von Milwaukee. Auch der Miller-Park ist von hier aus zu sehen. Ochs denkt, er müsste sich dort mal wieder zeigen, wenn die Brewers spielen. Er zieht zwar Football vor, aber hier geht es um Publicity und nicht um seine persönlichen Vorlieben.
»Ich hatte heute Besuch von unserem Freund«, sagt Frenette, während er aus einem modernen Metallschrank eine volle Flasche Scotch und ein Glas nimmt. »In meinem Büro. Er war völlig aufgelöst. Eis?«
»Nein, danke.« Ochs greift zum Glas. »Und Sie?«
»Nicht nach dem Sport.«
Ochs trinkt einen Schluck und setzt sich in einen der vier Ledersessel. In den vielen Jahren seiner politischen Karriere hat er gelernt, Ruhe zu bewahren. Ein Leittier sollte nie in Panik geraten.
Ochs nippt an seinem Whisky. »Und was wollte er? Mehr Geld?«
Frenette schüttelt den Kopf. »Er wollte wissen, ob wir was zu tun haben mit der Sache.«
»Wir? Hat er es so gesagt: Wir? Sie und ich?«
»Was denken Sie! Er hat keine Ahnung, dass Sie die Sache in die Hand genommen haben.«
»Gut.« Ochs setzt ein entspanntes Lächeln auf, dann sieht er Frenette eindringlich an. »Charly, wir sitzen im selben Boot, das ist Ihnen klar, oder?«
Frenette lächelt zurück. »Misstrauen Sie mir etwa?«
Ochs bricht in Lachen aus. »Wie kommen Sie darauf, Charly? Wir profitieren doch beide von der Wiedereröffnung von Redmill !« Ohne zu fragen, gießt er sich nach und sagt gut gelaunt: »Und, wie gehen die Arbeiten voran? Wann wird das erste Neodym das Tageslicht erblicken?«
»Wir sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Carl. Frauen sind unberechenbar. Wenn sie der Polizei gegenüber irgendeinen Zusammenhang erwähnen sollte …«
»Halten Sie mich für einen Idioten, Charly? Die Sache ist unter Kontrolle.«
Ochs weiß, dass er gut darin ist, Menschen zu überzeugen. Ständig muss er den Menschen die Angst vor der Zukunft nehmen, vor dem Verlust ihrer Jobs, vor der Verpfändung ihrer Häuser. Er setzt sein berühmtes Lächeln auf, mit dem er auf vielen Fotos zu sehen ist. Dieses Lächeln drückt alles aus, worauf es ankommt: Mut, Zuversicht und Aufrichtigkeit.
»Was haben Sie ihm gesagt, Charly?«, fragt er.
Frenette betrachtet seine Hände und sieht dann auf. »Ich hab versucht, ihn zu beruhigen.« Das Lächeln, das er hinterherschiebt, gefällt Ochs nicht. Es ist zu kurz und zu angestrengt.
»Und? Wie hat er darauf reagiert?«
»Ehrlich gesagt: Er macht mir Sorgen. Es hätte nicht so weit kommen dürfen.«
Ochs sieht Frenette lange an. Dann sagt er ernst und ruhig: »Dinge entwickeln sich manchmal anders als erwartet, das wissen Sie doch genauso gut wie ich.«
Frenette wirkt immer noch nicht ganz
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