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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Nacken gelegt.
    »Sieht ganz so aus.« Einen Tag zu früh. Harpole hätte es sich denken können. Frenette scheint Überraschungen zu lieben.
    »Warum kommt er nicht erst zur Sprengung morgen?«, will Keith wissen, der noch immer in den Himmel sieht.
    »Frag ihn doch selbst«, gibt Harpole zurück.
    »Den Teufel werd ich tun!« Keith dreht sich um und stapft durch den Schnee davon.
    Das mag Harpole an Keith, seine Direktheit. Man weiß, woran man bei ihm ist. In gewisser Weise erinnert Keith ihn an Ike …
    Im lauter werdenden Dröhnen hört er gerade noch sein Funkgerät piepsen.
    »Mr. Harpole? Da ist jemand für Sie am Zaun!«, meldet der Pförtner.
    Harpole sieht hinüber, und da, auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns, entdeckt er sie, die Frau mit dem hellen Anorak über dem blauen Krankenschwesterkittel. Katie. Der Wind zerrt an ihren Haaren. Sie winkt ihm zu. Sie hält etwas in der bloßen Hand.
    Er muss lächeln. Manchmal hat sie etwas von einem jungen Mädchen. Ohne dass es peinlich wirkt, wie bei anderen Frauen Mitte fünfzig, die sich geben, als wären sie zwanzig. Das hat ihm noch nie gefallen, das Unechte. Katie ist echt.
    Er geht los, nicht über die geräumte Straße, sondern über den schmalen Trampelpfad zum Zaun.
    »Katie, was machst du hier?«, ruft er.
    Sie schwenkt eine Plastikbox. »Ich hab dir doch ein Sandwich mit Huhn und Mango-Chutney versprochen!«
    »Du hättest doch nicht extra herfahren müssen!« Er muss lachen.
    Auch er hat seine Handschuhe ausgezogen, und ihre Hände berühren sich, als sie ihm die Box durch ein Loch im Zaun reicht. Er hält ihre Hand ein wenig länger fest, und Katie lacht auch. Ihr Gesicht ist rosig von der Kälte, ihre Nasenspitze richtig rot. Das mag er. Er würde die rote Nase am liebsten mit seinen Lippen wärmen.
    »War ja nur ein kleiner Umweg«, sagt sie und zwinkert mit ihren hellen blauen Augen. »Ich muss auch gleich los, meine Kranken wollen ein frisches Nachthemd und Kaffee! Die machen Theater, wenn ich mich verspäte!«
    Ihre Art bringt ihn oft zum Lachen. Überhaupt, er hat in seinem ganzen Leben nicht so viel gelacht wie in den zwei Monaten, seit er mit Katie ausgeht.
    Er deutet zum Himmel. Der Hubschrauber hat die Mine fast erreicht. Plötzlich stutzt er. Da ist noch etwas anderes. Ein riesiger dunkler Schatten, der den Hubschrauber zu erfassen droht.
    Es sind schwarze Vögel. Ein ganzer Schwarm, Hunderte.
    »Das ist ja unheimlich!« Katie blinzelt hinauf in den Himmel.
    »Wildgänse. Kanadagänse vielleicht«, meint er.
    »Jetzt, im Februar? Sie fliegen hinter dem Helikopter her.«
    »Das ist Frenette«, sagt er.
    »Der hat aber seltsame Flugbegleiter.« Sie drückt seine Hand. »Ich muss los. Dann mach’s mal gut, Hal! Und lass Frenette ja nicht probieren, der lässt dir garantiert nichts mehr übrig!« Sie haucht ihm einen Kuss zu, dann dreht sie sich um, steigt in ihren rostigen Oldsmobile und winkt noch einmal aus dem Fenster.
    Und er steht da, am Zaun, mit der Frühstücksbox in der Hand und sieht ihr nach, bis das ohrenbetäubende Dröhnen des Helikopters ihn daran erinnert, dass Charles Frenette, der CEO von Polycorp Minerals , in wenigen Sekunden landen wird. Der Vogelschwarm ist höher gestiegen. Irgendwie ist Harpole erleichtert.
    Er läuft hinüber zum ehemaligen Pförtnerhaus und wartet, während der Hubschrauber sinkt. Noch schreddern die Helikopterblätter die Luft, da klappt schon die Tür auf, und Frenette steigt aus. Er kommt federnden Schrittes auf Harpole zu. Frenette erinnert ihn immer an einen seiner Sergeants bei der Army, der es selbst im blutigsten Kampf noch schaffte, seine Leute anzufeuern. Anfangs fand er solche Leute faszinierend. Bis er die Toten sah, die sie zu verantworten hatten.
    Aber wir sind nicht in einem Scheißkrieg, sagt er sich. Und hier geht es nicht um Tote, sondern um Neodym. Und das ist ein ziemlicher Unterschied.
    »Hi!«, ruft Frenette.
    Harpole geht ihm entgegen.
    Frenette sieht sportlich aus in seiner roten Daunenjacke mit der Kapuze und dem Fellbesatz, dazu die verspiegelte Sonnenbrille und die Mütze über den grauen Haaren. Als wäre er zum Skifahren eingeflogen.
    »Hallo Harpole!«, ruft er. »Schönes Wetter haben Sie hier draußen!«
    Harpole schüttelt Frenette die Hand.
    Der legt ihm zusätzlich noch die andere Hand auf die Schulter. »Sie sehen gut aus! Die Luft hier draußen scheint Ihnen gut zu bekommen!«
    Harpole will sagen, das kann nicht sein, ich schlafe kaum, und je näher der

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