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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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erzählt, dass sie einen Typen im selben Trakt wie Raymond hätten und dass …«
    Er fällt ihr ins Wort: »Er … sie … wer auch immer, Raymond ist tot. Jemand hat ihn umgebracht.«
    »Raymond?«, wiederholt sie mechanisch.
    »Mit einem Metalllöffel. In den Hals gestochen.« Sein Blick hat etwas Hilfloses. »Es heißt, sie haben ihn fertiggemacht, weil er ein Kind ermordet hat.«
    »Verdammt!« Die einzige Spur, der einzige Verdacht – nichts.
    »Du hättest es mir sagen sollen, das wäre fair gewesen«, sagt Aaron. Er legt zwanzig Dollar auf den Tisch und steht auf.
    Er geht, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ihr Blick bleibt an seiner blauen Daunenjacke haften, dann ist er hinter der Glastür verschwunden.
    »Scheiße, scheiße, scheiße …«, murmelt sie, schiebt die gerade eben noch einmal gefüllte Tasse weg und steht auf.
    Sie steht an einer roten Ampel. Aus dem Auspuff des Lieferwagens vor ihr kommt weißer Qualm. Er steigt nicht auf, sondern kriecht über den Boden, sammelt sich dort, bis er die Temperatur der Luft angenommen hat und sich auflöst.
    Die Ampel wird grün. Die ganze Zeit hat sie es geschafft, irgendwie zu funktionieren. Jetzt kann sie nicht mehr. Sie fährt an den Bordstein, stellt den Motor ab und fängt an zu weinen.
    Harpole steht vor seinem Container und wartet. Er weiß, er muss Ruhe und Sicherheit ausstrahlen. Dann kommt sie. Und vielleicht bleibt sie sogar. Das Futter, das er oben auf die Tonne gelegt hat, hat sie schon gefressen. Und jetzt sitzt sie da, neben dem Teller, und putzt sich. Das hat sie noch nie gemacht, wenn er in der Nähe war. Wie schön ihr Fell glänzt! Und wie sie die Beine streckt! Jimmy fällt ihm ein, der Kater, den er als Kind am liebsten überallhin mitgenommen hätte. Was Jimmy aber gar nicht mochte. Er lacht in sich hinein. Es gibt nur weniges aus seiner Kindheit, an das er sich gern erinnert. In diesem Augenblick hört die Katze auf, sich zu putzen, und sieht zu ihm herüber. Dann springt sie von der Tonne und geht ganz langsam davon. Sie schreitet. Sonst ist sie immer davongerannt. Na ja, vielleicht kommt sie morgen zu ihm.
    Ablenkung, weiß er, das ist alles Ablenkung. Dann muss er nicht an den Albtraum denken, der ihn regelmäßig heimsucht und der in den vergangenen zwei Jahren nichts von seiner Bedrohlichkeit eingebüßt hat. Im Gegenteil: Harpole hat das Gefühl, als würde er von Monat zu Monat, ja sogar von Tag zu Tag grausamer. Zuerst hört er den Knall der Sprengung, dann fliegt der Körper von Ike durch die Luft, dabei wird er in Stücke gerissen. In seinem Albtraum sieht Harpole einzelne Körperteile durch die Luft fliegen. Und plötzlich prasseln sie auf ihn herunter. Ikes abgerissene Arme und Beine.
    »Hal?«
    Er dreht sich um und sieht seinen Vorarbeiter kommen, der sich unter dem weißen Baustellenhelm am Kopf kratzt.
    »Was gibt’s, Keith?«
    »Es sind nicht genug Rohre geliefert worden.« Keith steht jetzt vor ihm. Er trägt ein rot kariertes Flanellhemd, Jeans und schwere Arbeitsstiefel, genauso wie Harpole. Er ist ein guter Arbeiter, hat zwanzig Jahre Erfahrung in Minen und auf Bohrinseln gesammelt. Auf ihn kann Harpole sich verlassen.
    »Hast du gestern den Lieferschein nicht kontrolliert?«
    »Klar hab ich das. Muss was mit der Berechnung schiefgelaufen sein.«
    Harpole nimmt den Lieferschein, er ist von Keith abgezeichnet, wie er feststellt. »Vierhundert Fuß. Und was stimmt daran nicht?«
    »Es fehlen zweihundertfünfzig Fuß.«
    Harpole schreit gegen den Lärm eines der Lastwagen an, der gerade vorbeidonnert. Er transportiert den alten Schrott weg und bringt neues Material. »Ich kümmere mich drum!« In der kalten Luft bleiben die Abgase unten hängen. Er hält sich den Schal vor die Nase, um nicht zu husten.
    »Und dann müssten dahinten noch die Bäume gefällt werden!«, schreit Keith zurück.
    Harpole nickt. Sonst kommen die Lastwagen nicht durch. In den zehn Jahren, in denen die Mine stillgelegt war, ist das Gelände größtenteils renaturiert worden. Bäume sind angepflanzt worden, Gras wurde ausgesät, und Wasser hat sich in der großen Grube gesammelt, sodass ein See entstanden ist. Ein schöner Platz zum Picknicken und zum Schwimmen im Sommer. Und zum Schlittschuhlaufen im Winter. Kein Wunder, dass die Wiedereröffnung der Mine nicht bei allen Anwohnern auf Zustimmung stößt.
    Harpole hört das typische dröhnende Surren eines Helikopters und sieht zum Himmel hinauf.
    »Ist das Frenette?« Keith hat den Kopf in den

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