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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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reißt die Krawatte wieder los. »Ich hab nicht geweint!«, schreit er in Richtung Schlafzimmer.
    »Du hast deinen Kopf in meinem Schoß vergraben und hast …«
    Seine Knöchel sind weiß, so fest umschließen seine Hände die Krawatte. Im Spiegel blickt ihm sein wutverzerrtes Gesicht entgegen. Abrupt wendet er sich ab.
    »Warum sagst du nichts?«
    Er beißt sich auf die Lippen und spannt die Krawatte zwischen seinen Händen, aber die Scheißkrawatte reißt nicht!
    »Carl Ochs, dem Spitzenpolitiker, hat’s die Sprache verschlagen!« Sie lacht, aber es klingt, als würde sie jeden Augenblick anfangen zu weinen.
    Er stürzt aus dem Bad. »Halt endlich den Mund!« Er steht vor ihr, die Krawatte in den Händen, und zittert vor Wut. Und da stellt er sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt die Krawatte um ihren Hals legen und zuziehen würde.
    Er dreht sich um, reißt eine andere Krawatte und sein Jackett aus dem Schrank und stürzt hinaus. Er kann sie einfach nicht mehr ertragen.
    Draußen, vor der Tür des stattlichen Hauses aus rotem Backstein, holt er tief Luft. Er atmet die kalte Luft ein, als könnte sie ihn reinigen.
    Tony kommt mit der schwarzen Limousine die Einfahrt herauf. Das ist seine Welt. Dort will er sein, nicht bei seiner Frau, die ihn schon lange anwidert.
    »Guten Morgen, Sir!« Tony grüßt höflich und gut gelaunt wie immer und öffnet ihm die Tür.
    Und Ochs geht es sofort besser. »Hi, Tony! Was meinen Sie, wird es heute schneien?«, fragt er mit einem Lächeln.
    Tony blickt hinauf in das undurchdringliche Weiß des Himmels und schüttelt den Kopf. »Sieht nicht so aus.«
    Ochs lacht. »Gut! Dann hoffen wir mal, dass wir ein volles Haus haben!«
    »Bestimmt, Sir!«
    Als er sich auf den Rücksitz fallen lässt und Tony ihm im Rückspiegel zulächelt, fühlt Ochs sich gut, stabil, motiviert. Er kann es kaum abwarten, im großen Saal des American Club vors Mikrofon zu treten und seine Mission zu verkünden. Das Projekt in Ashland wird sie begeistern!
    Vergiss Heather, sagt eine Stimme in ihm, vergiss sie … Aber dennoch ist da etwas in ihm, das ihn hinunterzieht. Er fühlt sich allein … Mit Kirsten an seiner Seite wäre das etwas ganz anderes, oh ja, da könnte er Berge versetzen. So seltsam es klingt, aber er, Carl H. Ochs, den so viele achten und bewundern, wünscht sich einen Menschen an seiner Seite, der ihn versteht. Von Grund auf versteht und zu ihm hält, egal, was passiert.
    Tony nickt ihm im Rückspiegel zu.
    Wenn sie nichts tun kann, ist sie am schlimmsten: die Erinnerung an die entsetzlichen Minuten. Nach dem Treffen mit Aaron ist Christina wieder in die Klinik gefahren. Irgendwie hat sie gehofft, dass ihre Mutter sie mit einer Neuigkeit begrüßt. Doch sie hat nur den Kopf geschüttelt.
    Zwei Stunden sitzt sie mit ihrer Mutter bei Jay, dann kommt ihr Vater.
    »Fahr nach Hause, und ruh dich ein bisschen aus!«, sagt er und müht sich ein Lächeln ab.
    Sie nickt nur, sie ist zu müde, um zurückzulächeln.
    Immer wenn er nach Kohler fährt, empfindet Carl H. Ochs Bewunderung für den Mann aus einem Dorf in Österreich, der im neunzehnten Jahrhundert mit seinen Kindern und seiner zweiten Frau nach Amerika auswanderte, sich zuerst als Farmer bewies, dann aber eine Stahl- und Eisenfirma übernahm, die sein Sohn zu einem weltweit führenden Unternehmen für sanitäre Anlagen ausbaute. Hotels und Real-Estate–Unternehmen gehören inzwischen zur Firma, genauso wie ein Pferdegestüt und mehrere Golfplätze.
    Ochs denkt an seine erste Begegnung mit Charles Frenette. Es war beim Golfen. Anschließend haben sie in der Bar des Blackwolf Run ein paar Drinks genommen und sind sich schnell einig geworden …
    Als er am Rednerpult im prachtvollen Saal des All American Club steht, um seine Rede zu halten, geht ihm das alles durch den Kopf.
    »Gott hat uns die Erde geschenkt. Den Boden, die Sonne, das Wasser und den Wind«, so beginnt er. »All das spendet uns Kraft und Leben – und Energie. Aber wir müssen sie bewusst und intelligent einsetzen. Wir haben gelernt, Erdöl zu fördern und die Kraft der Sonne zu nutzen, wir haben Windräder entwickelt. Damit sie Strom erzeugen, sind besonders starke Magnete notwendig, und für die braucht man ein besonderes Metall: Neodym.«
    Als er dann konkret wird und Zahlen nennt, spürt er beinahe körperlich, wie das Publikum von einer Schockwelle erfasst wird. »Im vergangenen Jahr hat China dreißig Prozent weniger Neodym exportiert als im Vorjahr. Und die Preise

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