Der Skandal (German Edition)
sind über siebenhundert Prozent gestiegen!«
Er vergisst nie, auf die schwierigen Arbeitsbedingungen hinzuweisen. Auf die Zerstörung der Umwelt. »Dürfen wir Neodym überhaupt guten Gewissens fördern?«, fragt er dann.
Natürlich erwähnt er auch, dass Amerika in anderen Ländern nach Seltenen Erden sucht. »Afghanistan verfügt über ein immenses Vorkommen an Seltene-Erden-Metallen. Die warten nur darauf, dass jemand kommt und sie einsammelt!«
Er schafft es wieder einmal, die Zuhörer an Bord zu holen. »Wir müssen wieder unabhängig werden, uns auf unsere eigenen Kräfte und Ressourcen besinnen. Auf unser Potenzial. Die Zukunft hat einen Namen: Amerika!«
Zum Abschluss verschränkt er die Hände in der Luft und schüttelt sie wie ein Sieger. Die begeisterten Zuhörer haben sich von den Plätzen erhoben. Die meisten stammen aus der Gegend, ältere Menschen mit Geld, mit gesicherter Pension und mit der Einstellung, dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen muss, um sein Glück zu finden.
»Gut gemacht!« Frank klopft ihm auf die Schulter, als er sich wieder auf seinen Platz gesetzt hat, und sagt ihm leise ins Ohr: »Ich hab ein Angebot von Windpower US gekriegt. Sie spenden uns noch mal vierhunderttausend – inoffiziell … Was sie unbedingt brauchen, ist die Genehmigung für einen weiteren Windpark. Ob wir da was machen können.«
»Und, was hast du ihnen gesagt?«
»Sie sollen mit dir reden.«
»Ist einer von denen da?«
»Ryan Feldman.«
»Wo ist er?« Ochs sieht sich um.
»Oben, im Clubraum.«
Ochs steht auf, geht die Treppe hinauf, schüttelt dabei noch ein paar Hände, nimmt Glückwünsche entgegen und verteilt Dankeschöns.
Die dicken Teppiche schlucken die Schritte, und die dunkel gehaltenen Wände mit der Holzverkleidung lassen ihn jedes Mal vergessen, welche Tageszeit ist. Hier kann man sich am helllichten Tag fühlen wie in einer Bar.
Die Tür zum Clubraum ist nur angelehnt, und Ochs tritt entschieden ein.
»Hi, Ryan«, fängt er an und bricht irritiert ab. Der Mann da am Fenster mit den bunten Glasscheiben, die kaum Sonnenlicht hereinlassen, ist definitiv nicht Ryan Feldman.
»Guten Tag, Gouverneur Ochs!« Den gedrungenen, farblos wirkenden Mann im grauen Anzug hat er noch nie gesehen. Verdammt, er hätte einen Bodyguard mitnehmen sollen, schießt es Ochs durch den Kopf, und er hofft, dass der Typ jetzt keine Waffe zieht und auf ihn schießt. Alles schon da gewesen …
»Wer sind Sie?« Er greift zu seinem Handy in der Jackentasche.
Der Mann kommt lächelnd auf ihn zu. »Ich soll Ihnen diese Nachricht überbringen.« Er hält Ochs ein Kuvert hin.
Der nimmt es entgegen, der Mann nickt und geht eilig hinaus. Ochs reißt es auf und überfliegt die Nachricht. Er stürzt zur Tür. Doch der Mann ist in der Menge verschwunden.
Und jetzt ist Christina zu Hause, aber ausruhen kann sie sich nicht. Ich muss den Teppichboden reinigen lassen, denkt sie. Wahrscheinlich werde ich einen neuen brauchen.
Nein, ins Wohnzimmer wird sie nicht gehen, das kann sie nicht, erst recht nicht ins Bad. Bei dem Gedanken an das viele Blut beginnt sie zu zittern.
Sie kann sich jetzt nicht hinlegen, sie muss etwas tun, damit dieses Zittern aufhört. Ich werde sauber machen, beschließt sie.
Sie fängt mit der Küche an. Sie putzt die Oberflächen, die Spüle, sie versprüht Desinfektionsmittel, als könnte sie so auch das Böse vernichten. Sie räumt Küchenschränke aus, wirft alte Gewürze und Tüten mit längst vergessenem Inhalt weg und sortiert angeschlagenes Geschirr aus. Als sie irgendwann aus dem Fenster sieht, ist es längst dunkel geworden, aber sie ist immer noch nicht müde.
Um halb zehn meldet sich ihre Mutter aus dem Krankenhaus, sie will die Nacht bei Jay bleiben. Christina zögert, aber dann stimmt sie zu. Im Krankenhaus müsste sie still sitzen, und das würde sie nur noch nervöser machen.
Schließlich saugt sie noch die Diele. Die alte Truhe mit den Metallbeschlägen, die unter der Garderobe steht, stammt von einem Flohmarkt. Damals hat sie sich noch Zeit genommen für solche Unternehmungen. Für Jay ist sie eine Schatztruhe. Früher, als er noch kleiner war, hat sie Schatzsuche mit ihm spielen müssen. Sie musste irgendetwas darin verstecken, Schokolade, Spielzeug oder auch eine selbstgemalte Schatzkarte. Die beschrieb dann einen Weg durch den Garten zur Hecke, wo Christina den Karton mit den neuen Sportschuhen oder mit dem Baseballhandschuh versteckt hatte. Ihr wird ganz warm ums
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