Der Sklave von Midkemia
sich eine anzügliche Pause. »Wenn also meinem Neffen Schaden zugefügt wird, würde ich es verstehen. Mein Vater ist weniger geneigt, sich den Launen des Schicksals zu beugen, doch mein Bruder und ich sehen die Dinge anders.«
Hier berührte Incomo leicht den Arm seines Herrn; er wollte ihn daran erinnern, nicht zuviel Interesse zu offenbaren. Doch wenn es um Mara ging, war jeder Takt bei Desio vergessen. »Wenn das Schicksal einen Neffen aus diesem Leben entfernen sollte –«
Das schöne Kristallglas klirrte und erzeugte ein Echo, als Jiro es absetzte. Die Hunde heulten jetzt gemeinsam auf, als spürten sie die Spannung in der Luft. »Ich muß Euch berichtigen«, sagte der Sohn der Anasati kalt. »Mein Bruder und ich ehren unseren Vater als pflichtbewußte, liebende Söhne. Solange Tecuma lebt, sind seine Wünsche zu befolgen – ausdrücklich!« Die Betonung des Wortes stellte ohne jeden Zweifel klar: Jiro verstellte sich nicht. Wenn sein Vater es befahl, würde er für Maras Verteidigung kämpfen, notfalls bis in den Tod. »Doch«, erklärte Jiro vorsichtig, »sollte der Frau etwas zustoßen und der Junge überleben, wäre mein Vater nicht mehr zu Vergeltungsmaßnahmen verpflichtet.«
Desio runzelte die Stirn. Er betrachtete seinen Gast und sah in Jiro einen unvergänglichen, bitteren Zorn. Ein Gedanke durchzuckte ihn, und er neigte sich zu Incomo. »Er haßt die Hexe wirklich, seht Ihr?«
Der Erste Berater nickte knapp. »Eine persönliche Sache, wie es scheint. Seid vorsichtig. Ich würde schätzen, der Junge ist ohne Wissen seines Vaters hier.«
Um desinteressiert zu klingen, sprach Desio, während er den Mund noch voller süßem Gebäck hatte. »Eure Ideen sind faszinierend, aber nicht durchführbar. Mein Haus hat dem Roten Gott einen Eid geschworen, daß die Blutslinie der Acoma untergeht.«
Jiro nahm eine Scheibe kaltes Fleisch. Er aß nicht, sondern hielt das Stück gedankenvoll in den Fingern. »Ich hörte von Eurem Opferschwur. Natürlich, wenn Mara tot wäre und ihr Natami zerschmettert und begraben, wäre der kleine Erbe ein völlig mittelloser Lord.« Er zerriß den Leckerbissen mit den Nägeln. »Ohne ein Haus und loyale Krieger hätte Ayaki nur die Familie seines Vaters zu seinem Schutz. Vielleicht würde er dem Namen der Anasati Loyalität schwören.«
Das also war es, was Jiro ins Haus eines Feindes geführt hatte! Desio dachte nach; er suchte nach Anzeichen, ob sein Gast ein doppeltes Spiel spielte. »Der Junge würde schwören?«
Jiro drehte sich um und warf das Fleisch den Hunden zu. Sie waren darauf trainiert zu gehorchen und standen nicht auf, sondern schnappten den Bissen mit starken Kiefern noch in der Luft. »Ayaki ist ein Junge. Er muß tun, was sein Großvater und seine Onkel anordnen. Als Lord der Acoma könnte er alle von der Loyalität gegenüber seinem Haus befreien, auch sich selbst. Sollte er sich vor dem Natami der Anasati verneigen, würde das Blut der Acoma aufhören zu existieren. Der Rote Gott müßte zufrieden sein.«
»Das ist eine kühne Annahme«, warf Incomo ein. Er sah seinen Lord entsetzt an. »Möglicherweise zu kühn.«
»Doch es ist auf jeden Fall eine vergnügliche Vorstellung.« Desio erhob sich von den Kissen. »Diese Unterredung hatte ihre Vorzüge. Also gut, Jiro, sollten die Götter wohlgesonnen auf den Tod Maras und ihres Hauses blicken … werden wir um des Wohlwollens willen hoffen, daß sich die Dinge so entwickeln wie von Euch angenommen.«
»Um der Freundschaft willen«, verbesserte Jiro. Er stand ebenfalls auf und nahm es zum Anlaß, sich zu verabschieden. »Denn es wäre für jedes Haus, wie mächtig es auch sein mag, eine falsche Annahme zu glauben, sie könnten das Haus Acoma in Blut tauchen und stark genug aus einem solchen Kampf hervorgehen, um dem Zorn meines Vaters zu widerstehen.«
Desios Gesicht verdunkelte sich so rasch, daß Incomo beinahe nicht schnell genug aufstehen konnte, um seinen Herrn am Ärmel zu zupfen. »Es ist wichtig zu beachten, Mylord, daß die Acoma ohne die Unterstützung Tecumas nur ein weiteres kleines Haus sind. Bedenkt außerdem: Der Lord der Anasati wird alt, und Jiro hat ein großes Risiko auf sich genommen, Euch wissen zu lassen, daß sein Bruder, der Erbe, die Gefühle seines Vaters gegenüber einem von Mara geborenen Enkel nicht unbedingt teilt.«
Desio wandte sich Jiro zu; sein Gesicht war wieder beherrscht, und er lächelte. »Ich werde das Angebot annehmen und jetzt Euren Hunden beim Jagen zusehen.«
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