Der Sklave von Midkemia
Er trat vom Podest.
Der Sohn der Anasati wiederholte seine höfliche Verbeugung, als Desio an ihm vorbeischritt. »Wie Ihr wünscht, Mylord. Für die Vorstellung benötigen wir Euer Übungsfeld und eine Puppe in der Kleidung eines Mannes.«
Desios Interesse nahm zu. »Eure Biester jagen Menschen?«
»Ihr werdet sehen.« Jiro schnippte mit den Fingern, und der Diener befahl den angeleinten Hunden nervös, bei Fuß zu gehen, als Desio mit ihnen aus der Halle trat. »Sie stammen von Hirtenhunden in Yankora ab. Doch ich nenne sie Menschentöter.«
Gleich als sie frische Luft schnupperten, knurrten und bellten die Hunde. Sie rissen an den Leinen, und die gelben Augen folgten flink den Bewegungen der vorbeigehenden Menschen. Sklaven und Bedienstete traten vor Furcht zurück, und die Ehrengarde der Minwanabi folgte ihrem Herrn dicht auf den Fersen für den Fall, daß irgendeine Art von Verrat im Spiel war.
Nur Desio und Jiro schienen von den grimmigen Tieren unberührt, als sie das große Übungsfeld erreichten, wo Irrilandi gewöhnlich seine Soldaten trainierte. Zwei Sklaven wurden zu einer kleinen Rinne geschickt, um eine Pfeilzielscheibe auseinanderzunehmen und die alte Robe eines Sklaven mit Stroh auszustopfen. Desio verfolgte ihre Bewegungen mit glänzenden Augen, während sein Gast ihn über den Umgang mit solch gefährlichen Bestien aufklärte.
»Seht ihr die Handschuhe und die Pfeife?« Jiro deutete auf den Diener, der die Hunde führte, sie jetzt mit aller Kraft festhielt. Die Muskeln unter ihrem gesprenkelten Fell bebten vor nervöser Gier.
Auf Desios Nicken fuhr Jiro fort: »Das Leder ist in den Urin einer Hexe getaucht worden. Diese besonderen Hunde sind darauf trainiert, den Geruch als den zu erkennen, der zu ihrem Herrn gehört. Die Hunde wurden als Geschenk ausgebildet, also antworten sie nur auf die Pfeife. Sind sie einmal in den Händen ihres Eigentümers, werden sie seinem persönlichen Geruch folgen, je mehr der Geruch an den Handschuhen abnimmt, und schließlich nur noch seiner Stimme gehorchen. Die Handschuhe und die Pfeife sind für die Zwischenzeit gedacht.«
»Ein bewundernswertes System«, bemerkte Desio neidisch.
Jiro entging der sehnsüchtige Ton nicht. Er winkte dem Diener großmütig zu. »Möchte mein Gastgeber die Hunde selbst führen?«
Desios Gesicht erhellte sich. »Ich wäre geehrt, Jiro. Und dankbar.«
Der Diener der Anasati reichte ihm nacheinander die Handschuhe. Desio steckte seine großen Hände hinein und griff nach den Leinen. Die atemberaubenden Hunde beäugten ihn jetzt erwartungsvoll, und er zerrte etwas an der Leine. Er lachte in einem Rausch von Hochstimmung. Etwas leichtsinnig strich er einem der Hunde über den Kopf.
Das Tier warf ihm einen ungeduldigen Blick zu, dann betrachtete es wieder die Männer, Bediensteten und Soldaten, die in angemessener Entfernung zum Übungsplatz warteten und zusahen. »Schon bald, meine Schönen«, besänftigte Desio sie. Er blickte zur Rinne, wo die Sklaven nur langsam mit der Puppe vorankamen. Er zitterte, beinahe wie die Hunde.
Incomo bemerkte es, und Bestürzung machte sich in ihm breit. Genauso hatte auch Lord Jingu ausgesehen, wenn er seinen ungesunden Vergnügungen nachgegangen war. Auch Jiro sah es, und ein leichter Hauch von Ekel zerstörte den schönen Schein von Höflichkeit.
Desio fingerte an der Pfeife herum. »Ihr da«, rief er den Sklaven zu. »Kümmert Euch nicht um diese dummen Zielscheiben. Lauft da entlang!« Er deutete auf das Übungsfeld.
Die Sklaven zögerten, blankes Entsetzen stand in ihren sonnengebräunten Gesichtern. Doch dann siegte ihre Angst vor dem Tod durch den Strang, ein Tod, der ihnen gewiß war, sollten sie es wagen, den Befehl ihres Herrn nicht zu befolgen, und so ließen sie die zur Hälfte mit Stroh vollgestopfte Robe fallen und rasten los.
Sie rannten, als wären sämtliche Dämonen der Hölle hinter ihnen her.
Ein gieriges Lächeln verzerrte Desios Züge. Mit tadelloser Höflichkeit beendete Jiro seine Anweisungen: »Mylord, ein langer Pfiff auf der Pfeife wird die Hunde veranlassen zu jagen. Zwei kurze Pfiffe werden sie zurückrufen.«
Desio genoß den Augenblick tiefster Vorfreude. Er spürte den festen Zug der Hunde gegen seine Hand, als sie zerrten und jaulten, um endlich losgelassen zu werden. Noch einen Augenblick hielt er sie zurück, versagte ihnen ihre Begierde. Dann führte er die Pfeife an den Mund und löste die Leinen von den Halsbändern.
Die Hunde sprangen vorwärts,
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